Alltagsintegrierte Sprachförderung am Beispiel von Exkursionen
Zum einen war besprochen und verabredet worden, was es zu essen geben und was gekauft werden sollte. Dabei erzählten sich die Kinder zum Beispiel, welches Obst und welches Gemüse sie kannten und wie das schmeckt. Schrittweise entstand daraus dann ein gemalter Einkaufszettel, da die Kinder ja noch nicht schreiben konnten. Dabei wurden auch die Mengen berücksichtigt. So wurden dann beispielsweise fünf Tomaten und vier Äpfel auf den Einkaufszettel gemalt. Zum anderen besprachen die Fachkräfte vorab mit den Kindern den gesamten Ablauf des Markteinkaufs. Jedes der vier beteiligten Kinder übernahm eine bestimmte Aufgabe. Die jeweiligen Aufgaben, die den Kindern angeboten bzw. zugeteilt worden waren, berücksichtigten den Sprachstand jedes einzelnen Kindes und konkrete Lernziele.
Diese Kinder waren dabei:
Kind 1: Mädchen, 4 Jahre
Gute Sprachkenntnisse, jedoch aufgrund großer Unsicherheit wenig Sprechfreude (schwierige Familiensituation, große emotionale Belastung).
Aufgabe: Sprechfreude wecken durch sprachliche Begleitung während der Aktion, emotionales Wohlbefinden ermöglichen durch intensive Zuwendung innerhalb der Kleingruppe, Selbstbewusstsein stärken durch eine Aufgabe: „Bring uns bitte fünf Tomaten mit.“ und Kontaktaufnahme zur Verkäuferin.
Nachbetrachtung: Lisa war innerhalb der Kleingruppe ausgeglichen und fröhlich (emotionales Wohlbefinden), zeigt viel Sprechfreude und stellte zahlreiche Fragen, hat die ihr aufgegebene Aufgabe erfüllt und reagierte mit großem Stolz.
Kind 2: Junge, 4 Jahre
Migrationshintergrund, wenig Deutschkenntnisse, kann sich noch schlecht von der Mutter trennen, wenig Kontaktaufnahme zu gleichaltrigen Kindern.
Aufgabe: Soll innerhalb der Kleingruppe Kontakt zu den Kindern aufnehmen und Vertrauen zu den pädagogischen Fachkräften entwickeln, Stärkung des Selbstbewusstseins: Etwas ohne die Mutter unternehmen und eine Aufgabe erfüllen: „Bring bitte sechs Äpfel mit.“ – Sprachschatz erweitern durch sprachliche Begleitung und Fragen während der Aktion.
Nachbetrachtung: Max akzeptierte die pädagogische Fachkraft als Vertrauensperson, wollte mit großem Eifer, die an ihn gestellte Aufgabe erfüllen, nahm sprachlich Kontakt zu einem anderen Kind auf, war neugierig und aufgeschlossen. Erfüllte seine Aufgabe und erzählte es anschließend vielen Kindern.
Kind 3: Mädchen, 4 Jahre
Migrationshintergrund, sehr schüchternes zurückhaltendes Kind, kaum Deutschkenntnisse , wenig soziale Kontakte.
Aufgabe: Stärkung des Selbstbewusstseins durch Aufgabenstellung: „Bring bitte zwei Gurken mit.“- Kontakt zur Verkäuferin aufnehmen (mit Unterstützung), Sprechfreude wecken durch Gespräche während der Aktion, viel Zuwendung durch pädagogische Fachkraft, die durch Fragestellung Gespräche einleitet „Was gibt es hier zu kaufen?“ Etc. – Möglichkeiten für Kind 3 schaffen, in der Kleingruppe Kontakt zu den anderen Kindern aufzubauen.
Nachbetrachtung: Fatima verfolgte interessiert das Geschehen, sprach zwar wenig, hörte jedoch den anderen Kindern zu und zeigte erste Anzeichen eines besseren Sprachverständnisses; sie fühlte sich innerhalb der Kleingruppe sichtlich wohl, nahm Blickkontakt zur Verkäuferin auf, suchte das Gemüse aus und bezahlte (mit Unterstützung). Nahm erstmals Kontakt zu einem anderen Kind auf, indem sie es an die Hand nahm.
Kind 4: Junge, 4 Jahre
Gute Sprachentwicklung, traut sich manchmal zu wenig zu, spricht nicht gerne vor der Gesamtgruppe.
Aufgabe: Stärkung der Selbstsicherheit durch gemeinsames Erleben in der Kleingruppe und das Erfüllen einer Aufgabe, ist innerhalb der Kleingruppe Sprachvorbild.
Nachbetrachtung: Leon zeigte große Sprechfreude während der Aktion, konnte sich aber auch zurücknehmen, wenn sprachlich schwächere Kinder erzählen wollten; erfüllte seine Aufgabe und erzählte später mit Stolz davon.
Zurück in der Kita
Während der gesamten Aktion wurden zahlreiche Fotos gemacht, sie werden am folgenden Tag gemeinsam mit den Kindern in einer Drogerie innerhalb des Stadtteils ausgedruckt, um sie anschließend in der KiTa auszuhängen. Das Betrachten der Fotos bietet in der folgenden Zeit zahlreiche Gesprächsanlässe. Nach dem Einkauf haben die Kinder in 2er Gruppen das Gemüse und Obst gewaschen und geschnitten. Wir haben gemeinsam überlegt, wie wir die Tische decken möchten und was wir dazu benötigen. Zusätzlich einigten wir uns darauf, auch Kinder der anderen Gruppe zum Frühstück einzuladen.
Die Aufgaben wurden nun verteilt und jeweils 2 Kinder deckten die Tische, zählten vorher die Anzahl der Kinder und 2 Kinder luden die Kinder der anderen Gruppe ein. Beim anschließenden gemeinsamen Frühstück war die Stimmung sehr fröhlich, denn die Kinder gestalteten mit Freude lustige Brotgesichter. Der Markteinkauf ist mittlerweile fester Bestandteil der Arbeit in unserer Kita. Wir nutzen diese Möglichkeit mittlerweile regelmäßig mit Kleingruppen verschiedenster Kinder. Die Kinder sind immer sehr sehr motiviert. Nicht zuletzt weil eine solche Aktion außerhalb der Kita immer auch ein kleiner `Ausbruch´aus den vertrauten Kita-Routinen bedeutet.
In der Vorbereitung und Planung des Markteinkaufs hatten die Fachkräfte Vielzahl von Sprachlernmöglichkeiten auf den unterschiedlichsten Sprachniveaus zusammengetragen: Diesen wurde verschriftlicht, so dass sie auch Kolleginnen diese für ähnliche oder vergleichbare Aktionen nutzen können. Dazu im Einzelnen:
Sprachverständnis
– Bedeutung eines Einkaufszettels verstehen
– Anweisungen für den Straßenverkehr verstehen
– Zusammenhang zwischen Dingen, die man einkauft, und der Bezahlung (Geld) nachvollziehen: Geld gegen Ware
– In dem Zusammenhang auch Zahlenverständnis
Sprachgebrauch und Sprachverhalten
– Obstsorten benennen können
– Am Marktstand sich bemerkbar machen und sagen, was man haben möchte
– Den Zahlungsvorgang einleiten und durchführen
– Sich mit anderen verständigen, wer welche Aufgabe übernimmt, was alles eingekauft werden soll etc.
Artikulation, Wortschatz, Satzbau, Grammatik
– Wortschatzerweiterung z.B. Gemüse, Obst, Straßenverkehr…
– Training von Satzbau und Grammatik auf unterschiedlichen Niveaus etc.
Literacy
– Straßenschilder
– Münzen, Geldscheine
– Einkaufszettel
Die vollständige Arbeitshilfe mit allen sechs Exkursionen finden Sie hier. Diese ist sicher nicht nur für die städtischen Kitas in Marl hilfreich. Sie enthält eine Vielzahl von Anregungen zur alltagsintegrierten Sprachförderung.