Corona und dann das noch: Das Ende der Sprach-Kitas?!?

Beitrag Michael Schrader
„Unseren Kindern und Jugendlichen gehört die Zukunft. Daher werde ich mich dafür einsetzen, dass sie unter bestmöglichen Bedingungen aufwachsen. Hierbei nimmt die frühkindliche Bildung eine zentrale Rolle ein. Alle Akteure in der Kindertagesbetreuung leisten seit über zwei Jahren Außergewöhnliches, um frühkindliche Bildung auch in Pandemiezeiten bestmöglich zu gewährleisten. Dafür bedanke ich mich persönlich und ausdrücklich!“ – so Josefine Paul, die aktuelle NRW-Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration am 29.7.2022 in einem Brief an Eltern und Familien, Beschäftige in Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflegepersonen usw.

Das liest sich gut! Und das ist ja auch erst einmal so nachvollziehbar. Wer in politischer Gestaltungsverantwortung ist, will sich ja auch nach außen gut darstellen. Deswegen macht es aber Sinn, etwas mehr ins Detail zu gehen. Das soll im Folgenden anhand von zwei für die tägliche Praxis in den Kitas wichtigen Programmen geschehen.

Verlängerung des Alltagshelfer*innen-Programms
Noch mal Josefine Paul: „In den ersten Tagen als neue Ministerin – als einen der ersten Schritte meiner Tätigkeit überhaupt – habe ich das Kita-Helfer:innen Programm bis zum 31.12.2022 verlängert und neu aufgelegt. Rund 9.000 Einrichtungen haben diese unterstützenden Hilfskräfte durch die Aufstockung von Stunden oder die Gewinnung von neuen Kita-Helfer:innen während der Pandemie bereits genutzt.
Es ist mir ein wichtiges Anliegen, das pädagogische Personal in den Einrichtungen in dieser herausfordernden Zeit weiter zu unterstützen und bei nicht-pädagogischen Arbeiten zu entlasten. Die Pandemie ist leider noch nicht vorbei – Fachkräfte in den Kitas sollten sich aber gerade in der noch immer herausfordernden Zeit jetzt auf ihre pädagogische Arbeit konzentrieren können. Als Unterstützung in den Kitas leisten die Alltagshelferinnen und –helfer einen wichtigen Beitrag. Dafür stellen wir mehr als 100 Millionen € zur Verfügung.“
Dem kann man erst einmal zustimmen. Das ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Aber es darf dabei nicht bleiben. Dass die Personalschlüssel – also die Relation von Fachkräften und Kindern – unzureichend für eine angemessene Begleitung und Förderung jedes einzelnen Kindes sind, war auch schon vor Corona ein Dauerthema (siehe Blog vom 03.06.2018). Wenn unseren Kindern – wie die Ministerin formuliert – die `Zukunft gehört´ oder besser gehören soll, müssen wir sie durch exzellente Bildung darauf vorbereiten. Es bietet sich an,
– das Alltaghelfer*innen-Programm dauerhaft zu verlängern (besser noch auszuweiten),
– die Leitungen durch zusätzliche Verwaltungskräfte von Büroarbeiten zu entlasten und
– das Programm plusKITA (zusätzliche Mittel für Kitas in benachteiligten Stadtteilen) auszubauen und
– perspektivisch deutlich mehr Geld in die Hand zu nehmen, um die personelle Ausstattung in die Kitas deutlich anzuheben.
Wir werden sehen, auf was die schwarz-grüne Landesregierung sich für die nächsten Jahre verständigen kann. Die nächste Bewährungsprobe steht an, wenn es jetzt um die Zukunft der Sprach-Kitas geht (siehe unten).

Corona in den nächsten Monaten
Auch hierzu noch einmal Josefine Paul; bis zu den Herbstferien (Beginn 4.10.2022) gelten die folgenden Regeln: „Um offene Angebote der Kindertagesbetreuung bei gleichzeitig hohem Gesundheitsschutz von Kindern, Eltern und Betreuungspersonal zu gewährleisten, stellen wir für jedes Kind 8 Tests pro Monat zur Verfügung, mit denen Eltern ihre Kinder anlassbezogen testen können. Anlass für eine Testung der Kinder zuhause durch ihre Eltern wären z.B. Direktkontakte der Kinder mit an COVID-19 erkrankten Personen im unmittelbaren privaten Umfeld des Kindes oder aber Symptome einer Atemwegserkrankung.
Die Tests werden im Rhythmus von 2 Tests pro Woche an die Einrichtungen der Kindertagesbetreuung und für die Kindertagespflegepersonen an die Kommunen ausgeliefert und anschließend den Eltern zur Verfügung gestellt.
Dies gilt zunächst bis zu den Herbstferien. Eine weitere Finanzierung von Corona-Tests ist darüber hinaus gesichert. Die Auslieferung der Tests zur anlassbezogenen Verwendung erfolgt aktuell rein vorsorglich. Weitere Maßnahmen werden fortlaufend geprüft und der jeweils aktuellen Situation angepasst.
Ohnehin galt und gilt weiterhin – wie immer und bei allen Erkrankungen: Kranke Kinder gehören nicht in die Kindertagesbetreuung. Um insoweit mit Blick auf Corona-Infektionen Klarheit zu schaffen, wird in die Coronaschutzverordnung, die ab dem 08. August Gültigkeit hat, eine neue Regelung aufgenommen: Träger und Kindertagespflegepersonen können die Betreuung eines Kindes mit offenkundig typischen Symptomen einer Atemwegsinfektion von der Bestätigung eines zuhause gemachten negativen Selbsttests abhängig machen.
Eltern wird außerdem in Bring- und Abholsituationen das Tragen einer medizinischen oder einer FFP2-Maske empfohlen.“
Das heißt, die aktuelle Verantwortung für den Umgang mit Corona/Gesundheitsschutz liegt ausschließlich bei den Fachkräften in den Kitas. Das stellt hohe Anforderungen an die Kommunikation mit den Eltern. Und die Anzahl der Infektionen wird , wenn es wieder kühler wird, wahrscheinlich wieder zunehmen, und in nicht wenigen Kitas, wie auch schon in den letzten Monaten, zum Ausfall von Personal führen. Der Druck wird noch mal zunehmen. Und viele Fachkräfte sind im ditten Jahr mit Corona am Limit.

Sprach-Kitas
„Wenn bei der Integration am falschen Ende gespart wird – Jeder achte Kinderkarten in Deutschland ist ein `Sprach-Kita. Das Programm ist sehr erfolgreich – doch jetzt muss es enden.“´(Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) vom 19.98.2022). Die Koalition in Berlin hatte sich in den Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, dieses Programm fortzusetzen. Aber offensichtlich nicht darüber, in welcher Form. Nun soll das „Thema… zu einem prioritären Handlungsfeld… in der geplanten Weiterentwicklung des Gute-Kita-Gesetzes“ (ebd.) werden. Das würde aber dazu führen, dass die Umsetzung in die Verantwortung der Länder übertragen wird und insgesamt weniger Geld zur Verfügung steht, weil das Sprach-Kita-Programm bisher nicht über das Gute-Kita-Gesetz finanziert wurde. Aktuell nehmen 7.500 Kitas bundesweit an dem Programm teil und können ihr Personal um eine halbe Stelle als Sprachfachkraft  aufstocken. Statt dies zu riskieren, müsste es darum gehen, dieses Programm noch deutlich auszuweiten, vor allem  in Regionen mit vielen Familien mit Migrationshintergrund. In Bochum haben beispielweise aktuell 40 Prozent aller Schüler*innen eine Zuwanderungsgeschichte (WAZ 5.8.2022). Und in den Kitas müssen diese Kinder entsprechend begleitet und gefördert werden, damit sie nicht in der Grundschule mit Blick auf ihre Bildungskarriere ins Abseits gestellt werden.

Soweit einige Fakten,Informationen und Einschätzungen zur aktuellen Lage in den Kitas und zu NWR Familienministerin Josefine Paul. Wir werden das weiter im Blick behalten. . 

Anmerkungen: Hier finden Sie den vollständigen Brief von NRW-Familienemisnterin Josefine Paul an Eltern, Fachkräfte usw. Weitere Infos zum Progamm der Alltagsheffer*innen Blog vom 14.09.2020