Etwas genauer
In denen letzten 24h lag die Zahl der Neuinfektionen bei 4.721 (heute nachrichten am 10.10.2020). Es ist davon auszugehen, dass die Infektionszahlen noch weiter ansteigen. Der bisherige Höchststand Anfang April lag bei über 6.000. In Frankreich und Spanien liegen die Neuinfektionen bei über 20.000 (ebd.). Allerdings sind in Deutschland die Krankheitsverläufe weniger bedrohlich als im Frühjahr. Aktuell (8.10.) werden nur „535 Covid-19-Patienten stationär behandelt, davon 136 auf der Intensivstation“ (Nachrichten wdr) „Der Anteil der Verstorbenen unter den seit der 30. Kalenderwoche gemeldeten COVID-19-Fällen liegt kontinuierlich unter 1% und hat damit im Vergleich zum Infektionsgeschehen im Frühjahr, insbesondere im April, deutlich abgenommen (vgl. Lagebericht vom 06.10.2020). Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass sich das Virus verändert hat und weniger gefährlich geworden ist. Stattdessen gibt es für den niedrigeren Anteil an Verstorbenen verschiedene Gründe: Zum einen erkranken aktuell jüngere Menschen, die meist weniger schwer erkranken. Außerdem wird breiter getestet. Letzteres bedeutet, dass auch vermehrt mildere Fälle erkannt werden.“ (RKI Lagebericht 9.10.2020) Das heißt, dass mit Blick auf die aktuellem Neuerkrankungen und die Lage in den Krankenhäusern noch keine bedrohliche Situation vorliegt.
Vorsichtige Schlussfolgerungen
Wenn wir nach vorne gucken, müssen wir uns darauf einstellen, dass Corona noch bis zur Mitte des nächsten Jahres – erst dann wird voraussichtlich ein Impfstoff vorliegen – unseren Alltag ganz wesentlich bestimmen wird. Diesen Zeitraum gilt es so zu gestalten, dass die negativen Auswirkungen und Konsequenzen der Maßnahmen zum Umgang mit der Pandemie und die damit verbundenen Risiken für ALLE Beteiligten nachvollziehbar sind und gegeneinander abgewogen werden. Hierzu folgende Überlegungen:
1. Zahl der Neuerkrankungen reduzieren
Es gilt mit gezielten Maßnahmen zu verhindern, dass die Zahl der Neuinfizierten immer weiter steigt. Deswegen sind die aktuellen Einschränkungen von privaten Feiern und Geselligkeit in Partymeilen sowie die Fortführung der Abstands-, Hygiene- und Maskenregeln sinnvoll und nötig. Ziel muss es sein, den Umfang der Neuerkrankungen kontrollier- und steuerbar zu machen, die Nachverfolgbarkeit von Infektionen durch die Gesundheitsämter sicherzustellen und die Krankenhäuser nicht zu überlasten.
2. Schutz für besonders gefährdete Personengruppen
Da vor allem ältere Menschen und Menschen mit gesundheitlichen Risiken von schweren Krankheitsverläufen bedroht sind, sollten diese ihre Kontakte deutlich einschränken bzw. unter zielgerichteten Schutzmaßnahmen gestalten (z.B. nicht Einkaufen, wenn alle einkaufen gehen oder Einkaufen lassen, zu Fuß oder Taxe statt ÖPNV, Verzicht auf Treffen mit einer größeren Anzahl von Menschen, Abstand halten und lüften, bei Berufstätigkeit Ausweitung Homeoffice usw.) Dabei geht es nicht darum, alte Menschen in Pflegeheimen zu isolieren, wie dies in den ersten Monaten der Pandemie vielfach erfolgt ist.
3. Kein zweiter Lockdown für Kitas und Schulen
Mit Blick auf die negativen Auswirkungen des Lockdowns (Schließung von Schulen und Kitas) im März auf Kinder und Jugendliche, vor allem die aus sozial schwachen Familien, darf es zu keinem zweiten allgemeinen Lockdown kommen. Hierfür spricht auch, dass die Infektionen in Kitas und Schulen bisher sehr überschaubar sind. Am 24.9. waren in NRW lediglich 18.149 Schüler*innen von ca. zwei Millionen insgesamt in Quarantäne. Das ist weniger als ein Prozent. Es reicht, so wie es in den letzten Wochen auch schon gehandhabt wurde, im Falle von Infektionen gezielt einzelne Klassen oder Kita-Gruppen, eine einzelne Schule oder Kita in Quarantäne zu schicken. Hier ist es dann wichtig, den Kontakt zu den Kindern bzw. Schüler*innen, die zuhause sind, zu halten und zu intensivieren.
4. Lokale Steuerung der Pandemie
Das Konzept der lokalen Steuerung der Pandemie (Blog 30.8.2020) muss fortgesetzt, weiterentwickelt und differenziert werden, um schnell und zielgenau auf Infektionsherde reagieren zu können. Hier ist mindestens in zweierlei Hinsicht deutlicher Handlungsbedarf. Im Kreis Recklinghausen liegt die 7-Tage-Inzidenz bei 44, in einzelnen Städten des Kreises, wie z.B. in Gladbeck, deutlich höher, nämlich bei 91. Insofern sind in Gladbeck weitergehende Maßnahmen erforderlich als im Kreis insgesamt. (WAZ vom 10.10.2020, Seite 1) Darüber hinaus muss die Handlungsfähigkeit der Gesundheitsämter abgesichert und ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang ist es unverständlich, dass die Länder die für die Digitalisierung der Gesundheitsämter durch den Bund bereitgestellten Mittel nicht abrufen. (Ebd. 7.10.2020, Wirtschaft)
Nachtrag: „Ein zweiter Lockdown hätte für viele Schüler fatale Folgen“ (WAZ 10.10.2020, Rhein-Ruhr)
Schulpsychologe Uwe Sonnenborn (Mitglied des Vorstandes des Landesverbandes Schulpsychologie NRW) macht im Interview mit der WAZ deutlich, dass ein zweiter Lockdown unbedingt vermieden werden muss. Vielen Schüler*innen haben „die Klassengemeinschaft, das Wir-Gefühl gefehlt… Vor allem Schüler mit Problemen und aus schwierigen Verhältnissen leiden (noch immer) darunter… Viele Lehrkräfte sorgen sich um ihre Schüler, denn jetzt treten Probleme auf, die während des Lockdowns nicht sichtbar waren Dabei geht es um häusliche Probleme, um Vernachlässigung, zum Teil um Hinweise auf Gewalt, auch um den versäumten Stoff. Die Schüler haben ja ein halbes Schuljahr verloren.“ (Ebd.) Ein zweiter Lockdown würde einen Teil der Schüler*innen dauerhaft und endgültig abhängen. Arme Kinder und ihre Familien haben keine durchsetzungsfähige Lobby. Das machen Gerda Holz & Antje Richter-Korneweitz (Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. in Frankfurt a.M.) in ihrer „Chronologie von Corona-Pandemie und wirtschaftlichen und sozialen Gegenmaßnahmen durch den Bund“ nachvollziehbar. Arme Kinder und ihre Familien sind bisher die großen Verlierer in der Corona-Krise. Es gab in der Zeit von März bis Juli lediglich drei Maßnahmen (violett unterlegt in der Übersicht), die auf diese Zielgruppe zugeschnitten waren. In einem der nächsten Blogs stellen wir diese Studie ausführlicher vor.