Die Vorgaben des MKFFI NRW – Weichenstellungen für die nächsten Wochen

Die Fachempfehlungen 17 und 18 des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) NRW bestätigen die Berichterstattung der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) vom 11.5.2020, auf die wir uns in unserem gestrigen Blog bezogen haben. Die WAZ war also gut informiert. Im Folgenden noch mal kurz zusammengefasst das Wesentliche, der Zugang zu den Dokumenten des Ministeriums sowie einige grundsätzlichere Überlegungen und Einschätzungen.

Der Betreuungsumfang wir in zwei Schritten deutlich ausgeweitet. Neben den bisher anspruchsberechtigten Personen aus den sogenannten kritischen Berufen, den anspruchsberechtigten Alleinerziehenden sowie Kindern, die auf Entscheidung des Jugendamtes betreut werden, kommen „Vorschulkinder mit BuT-Berechtigung und Kinder mit genehmigter Eingliederungshilfe (Schritt 1) und alle weiteren Vorschulkinder (Schritt 2)“ hinzu (Fachempfehlung Nr. 17 des MKFFI). In der zusammenfassenden Information des MKFFI vom 11.05.2002 für Eltern, Träger, Leitungen und Personal  wird dies gut nachvollziehbar konkretisiert:

Ab dem 14.Mai 2020: Die Kindertagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen wird geöffnet für Vorschulkinder mit einer Anspruchsberechtigung nach dem Bildungs- und Teilhabepaket. Zudem dürfen Kinder mit Behinderungen und Kinder, die von einer wesentlichen Behinderung bedroht sind, und bei denen dies von einem Träger der Eingliederungshilfe fest-gestellt wurde, wieder in Kindertageseinrichtungen oder in Kindertagespflegestellen betreut werden. Die Kindertagespflegestellen mit ihrem familiennahen und über-schaubaren Betreuungsangebot werden für Kinder, die ihr zweites Lebensjahr vollendet haben, geöffnet. Ab dem 28. Mai 2020: In einem weiteren Öffnungsschritt sollen am 28.05. alle weiteren Vorschulkinder in die Kindertageseinrichtungen aufgenommen werden.“ Zu der in der WAZ vom 11.5. angesprochenen Ausweitung ab dem 10. Juni: mindestens zwei Betreuungstage für alle weiteren Kita-Kinder bis zu den Sommerferien werden noch keine Aussagen getroffen.

Und: Es wird – zu Recht – auch noch mal darauf hingewiesen, weiterhin den Kontakt mit den Kindern – und das sind immer noch mehr als die Hälfte der 700.000 Kita-Kinder n NRW – zu suchen und zu halten, die nachwievor zuhause betreut werden: “Für die Kinder, die derzeit noch nicht in der Betreuung aufgenommen bzw. angebunden werden, sollte, soweit dies möglich und pädagogisch sinnvoll ist, ein regelmäßiger Kontakt sichergestellt werden, z.B. telefonisch, per Videotelefonie oder auch über persönliche Kontakte unter Wahrung des Abstandsgebotes. Zudem sollte es einen, soweit möglich, systematischen Kontakt zu den Eltern geben.“ (ebda.) Die Ausweitung der Betreuung gilt auch für die Tagespflege, in der ab dem 14.5. wieder Kinder ab dem Beginn des zweiten Lebensjahres betreut werden können (Fachempfehlung Nr. 18). Die für die Eltern relevanten Informationen werden darüber hinaus noch in einem Brief von Familienminister Stamp, mit dem er sich persönlich an die Eltern wendet, auf zwei Seiten zusammengefasst (Elternbrief MKFFI Nr.4.). Die bisherigen Ausführungen zu den Betreuungssettings (Fachempfehlung 15 des MKFFI, Seite 12; siehe auch unseren Blog vom 23.04., Zwischenüberschrift: Betreuungssettings) werden bestätigt und die maximale Zahl der Kinder auf 50 bis 60 Prozent der normalen Gruppenzahl angehoben.

Vorläufige Einschätzung
Mal abgesehen davon, dass niemand vorhersagen kann, wie sich die Infektionsraten in den nächsten Wochen entwickeln werden, ob der Kurs in die Normalisierung des gesellschaftlichen Lebens und Arbeitens fortgesetzt werden kann oder möglicherweise (in Teilen) zurückgenommen werden muss, lassen sich den Vorgaben des Familienministeriums vier positive Aspekte abgewinnen:

1. Perspektive der Kinder: Auch wenn man sich wünschen würde, dass alle Kinder wieder in ihre Kita dürfen, sind bei der Ausweitung der Betreuung die Interessen eines Teil der Kinder berücksichtigt: Kinder aus wirtschaftlich armen Familien, Kinder mit wesentlichen Behinderungen, Vorschulkinder müssen auf den Übergang vorbereitet werden und sich verabschieden können, jedes Kind ist vor den Sommerferien noch mal in seiner Kita, Begleitung von Kinder in der (Wieder-)Eingewöhnung durch eine vertraute Bezugsperson.

2. Kommunikation und Abstimmung mit den Verbänden: Familienminister Stamp bzw. seine Behörde haben den Dialog mit den beteiligten Verbänden und Interessengruppen (Träger, Beschäftigte, Eltern, Kommunen etc.) gesucht und deren Expertise in die Ausgestaltung und Konkretisierung der nächsten Schritte miteinbezogen. Das erhöht die Akzeptanz der Vorgaben der Landesbehörde.

3. Nachvollziehbare Leitlinien von oben und Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort; hierzu die Einleitung zu Fachempfehlung 17: „Diese Fachempfehlung formuliert Leitlinien zur Ausgestaltung der schrittweisen Öffnung der Angebote in Kindertageseinrichtungen für die Schritte 1 (14.05.) und 2 (28.05.) vor Ort. Sie gibt Empfehlungen zu (A) Betreuungsumfängen, (B) Betreuungssettings und (C) Orientierungen zur Größe der Betreuungssettings und (D) (Wieder-) Eingewöhnung. Trägern und Beschäftigten in den Einrichtungen werden Orientierungen an die Hand gegeben, mit denen sie unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Personalressourcen und Raumkapazitäten konkret vor Ort die schrittweise Öffnung aus-gestalten können. Der Rahmen soll den Einrichtungen hinreichend Flexibilität geben, um auf die örtlichen Gegebenheiten eingehen zu können.“ Die da oben sind erst mal ihrer Verantwortung gerecht geworden. Jetzt sind die da unten dran, die zu den Vorgaben besten Lösungen vor Ort zu entwickeln. Der Dialog und die Zusammenarbeit zwischen `oben´ und `unten´ wird die Qualität der Umsetzung erhöhen.

4. Engpass Personal: Der Minister hat eine klare Vorstellung davon, dass es bei der Ausweitung der Betreuung in den Kitas zu Personalengpässen kommen kann bzw. wird, da 20 Prozent der Beschäftigten zu den Risikogruppen gehören. (Dies auf dem Hintergrund der auch unabhängig von Corona unzureichenden Personalausstattung in den Kitas!) Auch wenn der Minister hier noch keine Lösungen anbietet, ist es wichtig, die Fakten erst einmal anzuerkennen. um nicht falsche Erwartungen beispielsweise bei den Eltern zu wecken bzw. die Zusammenarebnit mit den Kita-Trägern zu gefährden. Siehe hierzu auch unseern Blog vom 4.5.am Ende: Das Personal ist der Schlüssel!

Ausblick + Fragenkatalog für den Blog
Was steht in den nächsten Wochen an? Wie können alle Beteiligten eingebunden werden? Was sind gute und machbare Lösungen vor Ort? Wie groß sind die Unterschiede in den einzelnen Kitas? Welche zusätzlichen Ressourcen werden benötigt? Wie können wir von anderem `abgucken´ und lernen? Was können wir einbringen? Diese sind nur einige Fragen, die man sich aktuell stellen kann. – Unser Blog kann möglicherweise hilfreich sein, Antworten zu finden, Austausch  zu ermöglichen, Lernprozesse in Gang zu setzen…

Bringen Sie Ihre Erfahrungen ein:
– Wie setzen Sie die Ausweitung der Notbetreuung um? Wie reagieren die Kinder darauf? Wie kommen diese wieder in der Kita an? Wie sehr hängt das vom Alter des einzelnen Kindes ab?
– Wie gestalten Sie die (Wieder-)Eingewöhnung, den Übergang in die Schule, die Verabschiedung der Schulkinder?
– Wie gehen Sie das an, wenn ein großer Teil der Kinder vor den Sommerferien nochmal für zwei Tage in Ihre Kita kommt? Was machen Sie mit denen? Was ist besonders wichtig?  Wie bereiten Sie die Kinder darauf vor?
– Wie setzen Sie die Gruppen zusammen?  Wie führen Sie die Kinder `kindangemessen´ an die Hygiene heran? Wo sind die Grenzen?
– Wie halten Sie weiter den Kontakt zu den Kindern zuhause? Mit welchen Angeboten, Kommunikationsmöglichkeiten, Aktivitäten etc. haben Sie gute Erfahrungen gemacht? Was mögen die Kinder? Wie unterschiedlich reagieren und verhalten sich diese?
– Wie unterstützen Sie die Eltern? Was brauchen diese, wenn die Kinder weiter zuhause betreut werden müssen? Wie beziehen Sie den Eltern(bei)rat in Entscheidungsprozesse mit ein? Was können diese einbringen?
– Wie organisieren Sie sich als Team? Wie ist die Arbeitsteilung zwischen denen in der Kita und denen im Home Office? Was haben Sie in den letzten Wochen ausprobiert, dazugelernt? Wie hat sich die Stimmung im Team entwickelt?
– Welche digitalen Medien setzen wir ein? Was davon passt  gut, was eher nicht? Was sollten wir auch nach der Coronakrise weiter nutzen?
– Wie geht Leitung aus dem Home Office? Wie sieht eine sinnvolle Arbeitsteilung aus zwischen denen, die in der Kita tätig sind, und denen, die im Home Office arbeiten? Was haben Sie über Ihre Kolleg*innen in den letzten Wochen gelernt? Wer hat welche Stärken eingebracht? Was hat die Zusammenarbeit voran gebracht?
– Wie stark ist Ihre Einrichtung von Personalausfällen betroffen? Welchen zusätzlichen Personalbedarf haben Sie, wenn wieder mehr als 60 Prozent der Kinder in die Kita kommen? Gibt es kita-übergreifende Kompensationsmöglichkeiten? Wie geht Ihr Träger, das zuständige Jugendamt das an?
– Haben Sie Ideen oder gar schon Erfahrungen, wie Sie zusätzliches Personal mobilisieren können? Nutzen Sie Ihre Kontakte mit Fachschulen, Universitäten, dem Jobcenter diesbezüglich? Oder macht Ihr Träger das.

Die Liste der Fragen ließe sich bis ins Unendliche fortführen. Die Fragen sollen Sie anregen? Sie müssen in den nächsten Wochen Lösungen für eine Vielzahl von Aufgaben und Problemen finden, für die Sie nicht auf Ihnen bekannte Lösungen zurückgreifen können. Damit dies gelingt, ist der Austausch mit anderen wichtig. Je mehr eingebracht wird, desto umfangreicher kann jede*r profitieren. Es geht um Geben und um Nehmen. Und es kann BEGEISTERN! Wir freuen uns, von Ihnen ZU LESEN. Auch wenn der Schwerpunkt dieses Blogs die Weiterentwicklung der Kinderbetreuung in NRW ist, gibt es länderübergeifend viele Parallelen und Übereintsimmungen bei den zu lösenden Aufgaben und Problemen.