Im letzten Jahr erhielt ich meine Informationen und Neuigkeit über meine/n Tochter/Sohn bzw. Schwiegertochter und -sohn, sozusagen aus 2. Hand. Ab März dieses Jahres hole ich unsere Enkelin in Gevelsberg an einem Tag der Woche von der KITA ab und erfahre hautnah und direkt. Es gibt Gespräche mit anderen Eltern bzw. Großeltern, mit den Erzieherinnen und Erziehern, mit Praktikantinnen und Praktikanten und nicht zuletzt mit der eigenen Enkelin und anderen Kindern. Nach der Gevelsberger Kirmes gingen die Corona-Zahlen rapide aufwärts (Inzidenz von > 1.800) und in Folge gab es nur zwei Notgruppen, statt 13 Erzieher*innen auf einmal nur fünf! Unter anderem darüber gibt es beim Abholen der Kinder Gespräche: Die Angst von einem neuen Lockdown wird mitgeteilt, die große Sorge vor der Wiederholung, gleichzeitig Haushalt, Kindern und Beruf ´stemmen´ zu müssen und die Befürchtung, nicht allem, vor allem nicht den Kindern gerecht werden zu können.
Opa wird eingebunden
Vor 3 Wochen kam ich mit den Erzieherinnen aus der Gruppe meiner Enkelin ins Gespräch. Hintergrund: Wenn ich meine Enkelin abholen wollte, zeigte diese wenig Interesse daran, mit mir zu kommen. Ich merkte, wie verunsichert ich war. Fragen nach den Beweggründen… Liegt das möglicherweise an mir? Aber eine freundliche Erzieherin aus der Gruppe meiner Enkelin kam zu mir und teilte mir mit, dass sie, also meine Enkelin, im Moment häufiger ein solches Verhalten zeigen würde. Es wäre ein so eine Art von Ausprobieren und Ausloten, eigenen Willen entwickeln und durchsetzen, aber auch das Abwarten auf die Reaktion der Erwachsener… Meine Unsicherheit wich und ich war sehr dankbar für diese Information. Die Erzieherin führte weiter aus, dass unsere Enkelin ein sehr feines Gespür dafür habe, wenn jemand traurig sei. Dann würde sie kommen, die entsprechende Person angucken und ganz behutsam in den Arm nehmen. Das fand ich äußerst interessant und für mich hilfreich.
3 mal Eingewöhnung: heute, vor 60 und vor 30 Jahren!
Mit dabei meine Erinnerungen an meine eigene Kindergartenzeit von 1962 bis April 1963 – die Einschulung erfolgte damals noch im April – in Essen und auch an die Kindergartenzeit meiner inzwischen erwachsenen Kindern von 1991 – 1994. Da nehme ich doch sehr große Unterschiede wahr…
Heute: In der Kita meiner Enkelin in Gevelsberg – und in Düsseldorf bei der zweiten Enkelin war das ähnlich – wurde der zeitliche Ablauf und die konkrete Gestaltung der Eingewöhnung mit den Eltern vorher besprochen. Unsere kleine Enkelin nahm an Schnuppernachmittagen teil. Dabei wurden die Kita und das pädagogische Konzept der Kita vorgestellt. Am Anfang war nicht nur die Mutter anwesend, sondern auch das Lieblingskuschelkind. Nach und nach wurde die Anwesenheit der Eltern in der Kita reduziert, am Anfang noch mit Warten in der Kita. Was mich besonders positiv überraschte war der ständige Austausch, die Kommunikation zwischen den Erzieher*innen und den Eltern.
60er Jahre: Früher – konkret vor 60 Jahren – war NICHT alles besser! Meine Erinnerungen an die Kita sahen komplett anders aus als die Erfahrungen, die meine Enkelin jetzt macht. Und das ist gut so! Ich gehörte zu den geburtenstarken Jahrgängen (Babyboomer) und Kindergartenplätze waren Mangelware. Nicht jedes Kind hatte die Möglichkeit in den Kindergarten zu gehen. Ich kam erst mit 4½ Jahren in die Kita. In der näheren Umgebung unserer Wohnung waren die wenigen Kindergartenplätze belegt und meine Eltern bekamen einen Platz in der Entfernung von 2,5 km. Diese Entfernung absolvierte meine Mutter jeden Morgen und Nachmittag mit meinem luftbereiftem Tretroller, da sie keinen Führerschein besaß und die öffentlichen Verkehrsmittel äußerst ungünstig waren (so ihre Erzählungen). Es gab eine Kindergartentasche, die man um den Hals gehangen bekam und in der befanden sich die Butterbrote. Wirklich nur Butterbrote, sonst nix. Von Eingewöhnung war der Kindergarten damals ganz weit weg. Meine Erinnerungen sind noch sehr präsent: Ich wurde zur Kindergartentür gebracht und meine Mutter teilte mir mit, dass sie mich nachher abholen würde. Die Kindergarten-Tante (so wurden die Erzieherinnen damals genannt) nahm mich und führte mich in meine Gruppe. Ich war völlig gelähmt und es beschäftigte mich die Frage „Wann ist nachher?“. Da mischten sich Allein-sein, mit Verlassen-sein und Angst. Ich habe die Einschätzung dazu gelesen „Kinder hatten Not!“ Ja, das kann ich nur unterschreiben. Viele Kinder weinten, manche trösten sich gegenseitig… So, wie das damals war, war es nicht gut.
90er Jahre: Vor ungefähr 30 Jahren (1991 – 1994) – als meine Kinder: Tochter und Sohn die Kita besuchten – gab es eine stufenweise Eingewöhnung; aber im Vergleich zu der Situation unserer Enkelinnen, wurde nicht viel auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder eingegangen. Die Kinder konnten von 7.00 Uhr – 7.30 Uhr gebracht werden. Diese Zeiten waren unumstößlich und mussten sehr genau eingehalten werden. Und es wurde außerdem darauf geachtet, dass die Kinder nur gebracht werden: Also bitte ein kleines Tschüss und dann, liebe Eltern bitte wieder den Kindergarten verlassen… Und über den Verlauf der Eingewöhnung wurde auch nicht viel geredet.
Mein Fazit: Ein Wandel zum Guten – so finde ich – gerade aus den gütigen Augen eines Großvaters auf seine Enkelinnen.
Anmerkungen: Ausführlich zur konzeptionellen Gestaltung von Eingewöhnungen siehe unseren Blog vom 1.11.2021. Die Eingewöhnung wird jeweils individuell und situativ auf jedes einzelne Kind und seine Familie zugeschnitten. Der konkrete Verlauf ist dabei auch altersabhängig. Es gibt aber in der Kindergartenzeit kein Alter, in dem keine Eingewöhnung nötig ist.
Zur Person: Klaus Agarius ist gelernter Industrie Fachwirt und hat seit Mitte der 90er Jahre ein mittelständisches Unternehmen in der Nutzfahrzeug-Industrie geleitet.