Kita-Baustellen in NRW: Reduzierte Öffnungszeiten und ein sich zuspitzender Konflikt: Kinder mit Symptomen
Ein andere Bausetlle wird hingegen zunehmend unübersichtlicher: „Streit um Kita-Verbot bei Schnupfen“ titelt die WAZ vom 13. Juli 2020 auf der ersten Seite. In seiner umfänglichen Handreichung vom 27.05.2020 hatte das NRW-Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) festgelegt: „Kinder dürfen generell nicht betreut werden, wenn sie Krankheitssymptome aufweisen. Die Art und Ausprägung der Krankheitssymptome sind dabei unerheblich.“ (Handreichung des MKFFI vom 25.05.2020, Seite 16) Kinder konnten, nachdem sie Symptome gezeigt hatten, erst mit einem ärztlichen Attest wieder in die Betreuung aufgenommen werden. Schon dagegen gab es erhebliche Proteste von Eltern und Kinderärzten, so dass Familienminister Stamp am 26. Juni diese Vorgabe zurücknahm. Seitdem gilt: „Sofern Kinder wegen COVID-19-Krankheitssymptomen nicht betreut wurden oder Kinder aus dem Angebot krankheitsbedingt abgeholt werden mussten, ist vor erneuter Aufnahme der Betreuung eine schriftliche Bestätigung der Eltern, dass die Kinder seit 48 Stunden symptomfrei sind, erforderlich.“ (Information des MKFFI vom 26.06.2020).
Füt3://file?uid=611r was stehen Symptome?
Aber auch diese Regelung ist höchst umstritten. Viele Kinder zeigen Symptome, ohne dass sie an Corona erkrankt sind. In der Herbstzeit haben fast alle Kinder eine Rotznase; die meisten von ihnen sind aber nicht wirklich erkrankt. „Edwin Ackermann vom Verband der Kinder- und Jugendärzte NRW befürchtet, die jetzige Regelung werde im Herbst `zu einem Kollaps der Eltern und unsäglichen Praxisorganisationsproblemen führen´. Kinder werden völlig sinnlos laufend aus der Betreuung herausgenommen.“ (Ed.) Hierzu passt auch die Einschätzung von Bärbel Grothaus, Leitung der Kölner Kindertagestätte Rabauken und Trompeten e.V. (Elterninitiarive), die sich in einem Brief direkt an Familienminister Stamp gewandt hat. In einer Gruppe, zu der 14 Kinder gehören, sind aktuell nur zwei in der Betreuung. Alle anderen haben Symptome. Hier ein Ausschnitt aus dem Brief:
„Wer häufiger Kontakt mit Kindern im Alter von 0 – 6 Jahren hat, weiß, dass diese ca. 8 Monate im Jahr ca. 50 % dieser Symptome zeigen. In der Konsequenz heißt das in unserer Kita (und wir sind da keine Ausnahme), dass zurzeit weniger Kinder betreut werden als in der Notbetreuung vor einigen Wochen. Es können sich keine Spielgruppen bilden, Kinder, die die Kita verlassen, weil sie nach den Ferien in eine andere Kita gehen können keinen Abschied feiern, weil ihnen die Nase läuft, kleine Kinder werden kurz nach dem sie gebracht wurden, wieder abgeholt, was sie vollständig verwirrt und das pädagogische Personal ist mehr mit Auseinandersetzungen beschäftigt, ab wann eine Rotznase eine Rotznase ist, wie oft ein Kind gehustet haben muss, um abgeholt werden zu müssen, als mit der Betreuung der wenigen Kinder… Für die Eltern unserer Kitakinder hingegen sind die Konsequenzen bei Einhaltung aller Vorschriften riesig. Viele konnten ihre Kinder nach wochenlanger Betreuung zuhause gerade mal ein paar Tage zu uns bringen und haben sie jetzt wieder zu Hause, weil so ein Kleinkind halt gerne schon mal Schnupfen hat oder hustet.“ Den vollständigen Brief finden Sie hier.
Kommunikations- und Handlungsbedarf
Das soll kein Plädoyer dafür sein, wieder jedes Kind – egal, ob es Symptome hat oder keine – wieder in die Kita zu lassen. Aber es macht den Handlungs- und Klärungsbedarf deutlich. Wer kann und soll entscheiden, ob ein Kind mit Symptomen nun in der Kita kommen darf oder zuhause bleiben muss?!? Wer entscheidet, wofür das Symptom steht? „(L)aufende Nasen bei bekannter Gräserpollenallergie oder Husten bei bekanntem oder gut eingestelltem Asthma“ sind kein Grund für ein Betreuungsverbot, sagt Edwin Ackermann vom Verband der Kinder- und Jugendärzte NRW (WAZ vom 13. Juli 2020, s.o.). Die Symptome sind die Aufforderung genauer hinzuschauen, aber nicht zwangsläufig das alleinige Kriterium für die zu treffende Entscheidung großer Tragweite. Entscheidungen, die getroffen werden, sind immer mit dem Risiko verbunden, dass sie falsch sind. Aber das weiß man oft erst hinterher. Gehen die Fachkräfte auf Nummer sicher und schicken jedes Kind mit einem Symptom nachhause, werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit weder den Kindern noch den Eltern gerecht. Und die Situation wird sich möglicherweise spätestens im Herbst, wie oben schon angedeutet, zuspitzen. Andersherum: Wie viel Risiko sollen Sie eingehen, dass ein Kind mit Symptomen dann andere Kinder und auch Erwachsene ansteckt? Die Entscheidungsfindung fällt vermutlich umso einfacher, je besser man das Kind kennt. Und man sollte sich eingestehen, dass es DAS EINE, das EINDEUTIGE Kriterium in der Regel nicht gibt, das nur eine und immer nur die richtige Entscheidung zulässt. Es wird um Abwägungen, Einschätzungen etc. zu dem einzelnen Kind gehen. Und dies sollte mit Sorgfalt erfolgen – durch die Fachkräfte, im Gespräch mit den Eltern und gegebenenfalls auch unter Einbeziehung der Leitung bzw. des Trägers und im Zweifelsfall auch Ärzten. Hier ist in den nächsten Wochen noch Einiges zu verhandeln, auszuprobieren und auf den Weg zu bringen.