Kitas sind MEHR als systemrelevant Die Perspektive der Kinder!
Aus Träger- und Jugendamtssicht ist es recht beeindruckend, was sich gerade in der praktischen Arbeit in den Tageseinrichtungen tut. Und es wird interessant werden, was sich davon in den Alltag der Zukunft retten wird. Home-Office für Leiterinnen wäre in einem gewissen Rahmen sicherlich schon immer möglich gewesen, aber für die Fachkräfte in den Gruppen wäre das vor nicht allzu langer Zeit eine eher befremdliche Vorstellung gewesen.
Jugendhilfe ist systemrelevant. Auch das ist eine Erkenntnis, die wir aus der Innensicht eines Jugendamtes oder auch in den Tageseinrichtungen sicherlich gut begründet vertreten hätten. Auch Außenstehende hätten dem mit der Begründung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf vielleicht mit etwas Erklärung zugestimmt. Zumindest etwas. Natürlich, wenn Eltern heute regelmäßig beide arbeiten, muss es solche Angebote ja irgendwie geben. Aber die Frage, ob es denn notwendig sei, dass Eltern heute immer arbeiten, käme in vielen Fällen recht schnell hinterher. Ist ja gut, dass es so etwas irgendwie gibt, aber systemrelevant? Das, was wirklich wichtig ist, zeigt sich nicht bei heiterem Sonnenschein, sondern bei Regen, Hagel und Schneeschauern. Oder beim Virus.
Dies hätte ich sicherlich auch vor einigen Wochen so oder so ähnlich auch schon geschrieben. Aber so eine Situation wie gerade wirkt da wie ein Brennglas. Und dennoch habe ich eine Dimension wirklich unterschätzt. Dies liegt unter anderem daran, dass ich mit dem Alltag der Tageseinrichtungen kaum etwas zu tun habe und vom Schreibtisch aus keine fundierte Beurteilung abgeben kann, zumal ich zwar einen halbwegs seriösen Studienabschluss habe, aber in pädagogischen Fragen, um mit Harry Potter zu sprechen, letztendlich ein Muggle bin, ein Unwissender. Das ist die Dimension aus Sicht der Kinder.
Ich habe in vielen Diskussionen in Ausschüssen oder Elternversammlungen für eine gute Qualität geworben und die Bedeutung für die Entwicklung der Kinder erläutert, dass sich Kinder in unseren Einrichtungen wohl fühlen müssen, habe mit gut formuliertem Halbwissen über Eingewöhnung und Schulübergänge und Konzepte gesprochen. Was ich unterschätzt habe ist die Bedeutung der Tageseinrichtung für die Kinder. Damit meine ich nicht nur die Frage von Bildungsförderung und die Sicherung des Kindeswohles. Die aktuelle Erklärung der Jugend- und Familienministerkonferenz geht in diese Richtung und möchte als nächsten Schritt den „eingeschränkten Regelbetrieb“ aufnehmen, insbesondere für die Kinder, die eine „besondere Hilfestellung“ benötigen. Auch dies ist letztendlich eine Erwachsenensicht. Natürlich ist dies aus Sicht der Jugendhilfe zu begrüßen und für irgendeinen Weg muss man sich ja entscheiden. (Auf eine Bewertung und Einschätzung bezogen auf die Erkrankungssituation verzichte ich an dieser Stelle. Dazu sollen andere Nachwuchs-Virologen etwas sagen.) Aber nicht nur diese Kinder brauchen die Tageseinrichtung. Auch Kinder, die sich gut entwickeln, die viel Förderung im Elternhaus bekommen und in gesicherten Verhältnissen aufwachsen brauchen die Tageseinrichtungen. Viele vermissen die Erzieherinnen, die täglichen Abläufe, die Anregungen, den Spaß und das Spiel, vermissen ihre beste Freundin und den dicksten Kumpel. Auch wenn es Kindern gut geht, geht es ihnen besser mit der Tageseinrichtung. Tageseinrichtungen müssen vor diesem Hintergrund nicht mehr ihre Daseinsberechtigung mit dem Fokus auf Familie und Beruf begründen. Sie sind aus sich heraus wichtig. Und deshalb lohnt es sich immer, für ihre Rahmenbedingungen und Qualität einzustehen.
Michael Süßbeck (Kontakt) leitet den Betrieb Tageseinrichtungen für Kinder der Stadt Willich. Der Kontakt zur pragma gmbh ist 2009 über die Qualitätsentwicklung entstanden.