So leben wir mit Corona! Eine Zwischenbilanz Teil 3: Teambuilding in und durch Corona-Zeiten!
Die Kita am Wald e.V. - das ist eine Elterninitiativeinrichtung mit 55 Kindern im nordrhein-westfälischen Castrop-Rauxel. Verantwortlich für die Arbeit mit den Kindern sind aktuell 14 Fachkräfte, zwei Praktikantinnen im Anerkennungsjahr, zwei Bundesfreiwilligendienstler und ein weiterer Praktikant. Uns ist bewusst, dass wir für in unseren drei Gruppen (insgesamt 55 Kinder von 1 Jahr bis Einschulung eine Gruppenform I, II und III nach dem Kinderbildungsgesetzt NRW) personell sehr gut besetzt sind. Bis auf einen männlichen Praktikanten besteht das pädagogische Team aus Frauen zwischen Anfang 20 und Ende 50. (Da es in diesem Blog um die Arbeit des Stammpersonals geht, benutze ich ausschließlich die weibliche Form).
Unsere Einrichtungsleitung achtet, ebenso wie die Leitung vor ihr, sehr darauf, dass neue Teammitglieder in ihren Normen und Werten gut zum bestehenden Team passen. Wir sind sicher kein unfehlbares Team. Wir diskutieren viel und drehen uns in diesen Diskussionen auch immer mal wieder im Kreis. Aber es gibt unter uns Gemeinsamkeiten, die uns zu einer guten Arbeitsgemeinschaft, zu einem gut ausgestellten Team machen: jede von uns liebt die Arbeit am Kind. Jede von uns setzt sich dafür ein, dass die Kinder, die wir betreuen, eine Chance auf ein möglichst geschütztes und chancengleiches Aufwachsen haben – unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sozialem Status der Eltern etc. Wir verfolgen ALLE das gemeinsame Ziel, die Kinder zu selbstbewussten, starken und sozialen Persönlichkeiten zu erziehen. Die Identifikation mit dieser Leitidee und unserer Konzeption ist so groß, dass jede von uns bereit ist, sich bei Bedarf auch über die reguläre Arbeitszeit hinaus für unsere Einrichtung oder die Familien zu engagieren. Wir unterstützen uns gegenseitig bei der Arbeit. Aber auch in privaten Notlagen ist jede Kollegin bereit, für eine andere einzustehen oder / und ihr zu helfen. Da die Fluktuation in unserer Einrichtung sehr niedrig ist, kennen sich die meisten Pädagoginnen bereits seit vielen Jahren. Dieser Zusammenhalt im Team und unsere geteilten Wertvorstellungen waren in der Corona-Zeit von großem Vorteil und unsere wichtigste Ressource.
Erfolgreicher Aktionismus
Am ersten Tag der Schließung (16. März – Blog 31.03.2020) setzten wir uns in einer (vorerst letzten) persönlichen Teamsitzung zusammen und überlegten, welche Arbeiten jede von uns im Homeoffice erledigen könnte, um nicht über die kommenden Wochen untätig sein zu müssen. Da unsere Kitaleiterin von vorne herein klar gestellt hatte, dass sie das Betretungsverbot sehr ernst nehmen würde, war klar, dass sich nicht mehr Erzieherinnen, als zur Notbetreuung nötig waren, in der Kita aufhalten dürften. Insofern konnte es umfassende Putzaktionen, wie sie in vielen Kindertagesstätten stattfanden, bei uns nicht geben. Bei uns stand die Situation der Kinder und ihrer Familien im Vordergrund: Wir fühlten uns mit dem Gedanken, die Familien und Kinder in den kommenden Wochen zuhause alleine zu lassen, nicht wohl und überlegten gemeinsam, wie eine Unterstützung von unserer Seite aus aussehen könnte. Innerhalb von zwei Stunden entwickelten wir ein erstes Konzept für die Arbeit am Kind vom Homeoffice aus. Es sollte ein eigener passwortgeschützter Videoblog entstehen (Blog 27.04.2020 Digital gut unterwegs). Wir erstellten eine grobe Planung, verteilten Aufgaben und spielten in Gedanken verschiedene Möglichkeiten der Umsetzung durch. Nach den ersten Videos trafen wir uns erneut zu einer Teamsitzung – dieses Mal im Rahmen eines Zoom-Meetings. Wir reflektierten die ersten Blogbeiträge, unsere bis dahin gemachten Erfahrungen und die ersten positiven Feedbacks von Kindern und Eltern. Wir waren uns schnell einig, dass wir auf dem richtigen Weg waren und entschieden uns für die Weiterentwicklung unserer digitalen Arbeit. Am Schluss des Meetings stand die Idee für Online-Spiel- und Singkreise. Alle Kolleginnen brachten sich engagiert und mit derselben Intention – nämlich den Kindern präsent zu bleiben und die Eltern nicht allein zu lassen – in die Ideenfindung und Umsetzung ein. Durch das gemeinsame Engagement und dieselbe Zielsetzung entstanden in den folgenden Monaten neben Videobblogs und Spielkreisen
– eine Elternhotline,
– Vorlesegruppen,
– Altersgruppen-Treffs,
– Zoom-Elternabende,
– spontane Zoom-Elterngespräche,
– Outdoor-Aktionen,
– interaktive Schnitzeljagden,
– Bastelaktionen über Zoom,
– Bilderbuchbetrachtungen über Zoom,
– Zoomtreffen, bei denen Kinder etwas Besonderes von Zuhause zeigen konnten und
– Online-’Übernachtungs’partys.
Es war schon beeindruckend, wie gut wir uns da reingefunden haben, welche Eigendynamik sich entwickelte und wie wir das im Team arbeitsteilig umgesetzt haben. Eine Einschätzung, wie die U3-Kinder mit digitalen Angeboten zuhause erreicht werden konnten, finden Sie in meinem Blog vom 14.5.2020.
Stärken und Schwächen
Die digitale Arbeit mit den Kindern und Eltern war für jede von uns Neuland. Niemand wusste am Anfang, wie gelungene Arbeit in diesem speziellen Fall auszusehen hatte, was von uns erwartet würde und ob unsere Angebote überhaupt Anklang bei den Familien finden würden. Genauso wenig konnten wir zu diesem Zeitpunkt einschätzen, ob und wie uns eine Umsetzung der Ideen gelingen würde. In zahlreichen Gesamt-, aber auch Kleinteamsitzungen kristallisierte sich nach und nach heraus, wer von uns welche Stärken, aber auch welche besonderen Schwächen hatte. Im Arbeitsalltag sind die besonderen Fähigkeiten der Arbeitskollegen*innen so verinnerlicht, dass man sie kaum noch bemerkt. Es war bisher klar: dieses schwierige Elterngespräch führt Kollegin X sicher am besten, die Turnstunde machen Kollegin Y und Kollegin Z, das Schlafenlegen übernimm Kollegin V. Im Bereich dieser digitalen Arbeit waren jedoch ganz andere Kompetenzen gefragt und diese mussten wir für uns selbst, aber auch für das Team erst neu entdecken. Ebenso stellten wir fest, was uns nicht so gut lag. Eine Arbeitskollegin verstand sich zum Beispiel nicht so gut auf die Arbeit am Computer. Veraltetes Equipment und mäßige Qualität des Internets frustrierten sie und machten für sie Zoom-Meetings in jeglicher Form zur Qual. Sie hatte jedoch großartige Ideen für Videos für den Blog und war selbstbewusst genug, für die Kinder in diesen Videos zu singen oder zu schauspielern – eine zu dieser Zeit nicht zu unterschätzende Stärke. Eine andere Kollegin hatte eine angenehme Vorlesestimme und übernahm die Vorlesegruppe, hatte aber nur wenig Geduld für freie Erzählrunden. So loteten wir mit der Zeit unsere Stärken und Schwächen aus und lernten uns auf einer neuen Grundlage neu kennen.
Rücksicht und gegenseitige Unterstützung
Die neu entdeckten Talente wussten wir im Team schnell zu schätzen und einzusetzen. Schwächen oder Abneigungen wurden problemlos akzeptiert. Nicht selten fanden wir jemanden im Team, der mit seinem Talent das Defizit eines anderen auffangen konnte und so konnten wir in den allermeisten Fällen wie uns ergänzend, passgenau und lösungsorientiert zusammenarbeiten. Es gab darüber hinaus eine hohe Akzeptanz für belastende private Belange, wie eigene Kinder oder ein nicht ganz klar einzuordnender gesundheitlicher Zustand (Gehört eine Person zur Risikogruppe oder nicht?). Gemeinsam entschieden wir, dass Erzieherinnen, die eigene Kinder betreuen mussten, weil auch der Partner einer systemrelevanten Berufsgruppe angehörte, zuletzt in der Notgruppenbetreuung eingesetzt werden sollten. Und auch die Erzieherinnen, bei denen nicht ganz klar war, ob ein gesundheitlicher Faktor möglicherweise einen schweren Infektionsverlauf im Falle einer Ansteckung mit Corona begünstigen würde, blieben zunächst noch im Homeoffice. Dadurch dass die Entscheidungen vom gesamten Team getragen wurden, entstand an keiner Stelle bei den übrigen Teammitgliedern das Gefühl, dass jemand bevorzugt oder benachteiligt wurde. Jede von uns gab im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihr Bestes und das war allen bewusst.
Chance, uns neu aufzustellen: Stärkenorientiert
Die Kompetenzen, die die Teammitglieder zu dieser Zeit auszeichneten, den anderen aber bis dahin gar nicht so bewusst waren, begleiten uns auch heute noch in unserem Kitaalltag. Zwei Personen, die schon während der Coronaschließung erfolgreich Videos gedreht haben, übernehmen auch bei einer Veranstaltung für die Kinder die Planung und Aufführung eines Theaterstückes. Die Kollegin, die alle technischen Aufgaben für das Erstellen und Betreiben unseres Videoblogs übernommen hatte, wird nach wie vor gebeten zu helfen, wenn es um das Anmelden von Geräten im Wlan oder in einer Community geht. Das zügige und prägnante Formulieren von kurzen Elternnotizen übernimmt eine andere Kollegin. So können wir gegenseitig von den Stärken der Teamkolleg*innen profitieren, wenn eigene Schwächen uns an Grenzen bringen.
Wir sind EIN Team: Krise als Chance zum Teambuilding
Auch das Bedürfnis Rücksicht auf die Kolleginnen zu nehmen, ist nach wie vor deutlich spürbar. Kolleginnen bieten ihre Unterstützung an, kaum dass man selbst die Überforderung wahrgenommen hat. Krank geschriebenen Kolleginnen wird Hilfe beim Einkaufen angeboten oder auch eine Aufmunterung vorbei gebracht, wenn sie sich wegen eines Corona- Verdachtsfalles in Quarantäne befinden. Die Corona- und vor allem die Schließungszeit war aus unterschiedlichsten Gründen eine Herausforderung für jede von uns: Wir konnten sie für uns zum Teambuilding nutzen. Im Nachhinein sind wir als Einzelpersonen und gemeinsam als Team selbstsicherer und uns unserer Kompetenzen bewusster als vor Corona. Das macht Mut. Das gibt Sicherheit und Kraft.
Links und weitere Informationen:
Hier finden Sie einen weiteren Blog zum Teambuilding: Blog 15.4.2020 über die städtischen Kitas in Hinte: Corona als Chance zum Teambuilding und hier Teil 1 und 2 der Zwischenbilanz von Alexandra Knoch: So leben wir mit Corona! Arbeit mit dem Kind und: Eingeschränkte Eltenarbeit. Und hier präsentiert sich die Kita am Wald aus Castrop-Rauxel im Netz. Und über diesen Link haben Sie Zugriff auf alle bisherigen Blogbeiträge über die Kita am Wald.