Die Länder müssen liefern! Dialog, Kooperation und kreative Konzepte sind gefordert!
In den Medien ist Corona weiterhin präsent, steht aber nicht mehr in der Ausschließlichkeit der letzten zwei Monate im Mittelpunkt. Und in dem Maße wie sich die in vielen Punkten nachvollziehbar, in manchen nicht Lockerungsmaßnahmen in den einzelnen Bundesländern unterscheiden, wird die Lage komplexer und unübersichtlicher. Auch die Parteien ziehen nicht mehr an einem Strang, streiten im günstigsten Fall um die besten Lösungen oder begeben sich (vielfach wieder) auf das Niveau wechselseitiger `Schelte´. Insofern bewegen wir uns auch hier in Richtung Normalität. Vielleicht zu früh?!? Wir wissen nicht, wie sich die Pandemie weiterentwickelt und ob wir sie so gut `im Griff´ behalten werden, wie es aktuell scheint. Gleichzeitig haben wir für die Öffnung der Schulen und der Kitas bisher nur grobe Orientierungen (Rahmenpläne), deren Umsetzung selbst bei einem günstigen Verlauf der Pandemie in den nächsten Wochen nicht gewährleistet ist. Dies soll im Folgenden am Beispiel der Ausweitung der Kinderbetreuung in NRW verdeutlicht werden, kann aber von den Schlussfolgerungen her auf andere Bundesländer übertragen werden.
Elternproteste
Nachdem die Ministerpräsident*innen der Bundesländer und Bundeskanzlerin Merkel sich am 6.Mai auf die nächsten Lockerungsschritte verständigt hatten, hat Familienminister Stamp (NRW) zum Ende der Woche (8.Mai) die nächsten drei Schritte (14. Mai / 28. Mai / 10. Juni, Blog vom 11. Mai) benannt, wie der für alle Bundesländer geltende Vier-Stufen-Plan (Blog vom 7.5.) zur Ausweitung der Kinderbetreuung in NRW bis zu den Sommerferien umgesetzt werden soll. Bei der Entwicklung dieser drei Schritte hat sich das Familienministerium NRW (MKFFI) eng mit den betroffenen Verbänden (= Kita-Träger) abgestimmt. Dies hat die Akzeptanz seiner Vorschläge bei den Kita-Trägern, die ja letztendlich die Betreuung vor Ort dann auch umsetzen müssen, erhöht. Und es ist wichtig, diese `im Boot zu haben´. Nicht angemessen eingebunden in diesen Entscheidungsfindungsprozess wurden offensichtlich die Eltern bzw. deren Vertretungsverbände. So lautet beispielweise Überschrift eines Artikels aus der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) vom 13. Mai 2020: „Eltern: Die Nerven liegen blank – Beirat; Nach zwei Monaten Corona-Betreuung daheim ist die Belastungsgrenze erreicht“ Und weiter heißt es im Artikel: „Nach dem Betreuungskonzept von Landesfamilienminister Joachim Stamp (FDP) bleiben 350.000 Kleinkinder in NRW unversorgt.“ Schon am 10.Mai hatten Eltern in Bonn, Düsseldorf und Köln gegen die Beschlüsse und Vorgaben des Landes protestiert: „Home Office
ist kein Betreuungskonzept!“ Der Westdeutsche Rundfunk (wdr) hat darüber berichtet, auch der Deutschlandfunk (DLF) in seiner Sendung vom 16.Mai: Familien in der Coroankrise: Erst Ikea, dann wir…“
Zwei Schlüssel zum Erfolg: Beteiligung der Eltern und kreative Konzepte zur Personalgewnnung
Im Blog vom 12. Mai haben wir darauf hingewiesen, dass bei den Vereinbarungen zwischen Familienministerium und Verbänden die „Perspektive der Kinder“ in die Entscheidungen zur Ausweitung der Betreuung mit eingeflossen ist. „1. Perspektive der Kinder: Auch wenn man sich wünschen würde, dass alle Kinder wieder in ihre Kita dürfen, sind bei der Ausweitung der Betreuung die Interessen eines Teils der Kinder berücksichtigt: Kinder aus wirtschaftlich armen Familien, Kinder mit wesentlichen Behinderungen, Vorschulkinder müssen auf den Übergang vorbereitet werden und sich verabschieden können, jedes Kind ist vor den Sommerferien noch mal in seiner Kita, Begleitung von Kinder in der (Wieder-)Eingewöhnung durch eine vertraute Bezugsperson.“ Dieses gilt es nun mit Blick auf die Eltern ebenfalls umzusetzen, in dem diese bzw. deren Interessenvertretungen ab dem aktiv in die Konkretisierung der weiteren Ausweitung der Betreuung 10. Juni miteinbezogen werden. Diese Beteiligung sollte auf der Landesebenen durch den Landeselternbeirat, auf kommunaler Ebene durch die Stadtelternbeiräte und auf Träger- und Einrichtungsebene durch die in den Kitas gewählten Elternvertreter erfolgen. Alle Beteiligten müssen an einen Tisch: Politik, Verwaltung, Träger, Mitarbeiter*innen und Eltern. So können einerseits die unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen im direkten Kontakt eingebracht und (hoffentlich) für alle akzeptable Kompromisse ausgehandelt werden.
Gleichzeitig (andererseits) muss in diesen Gremien nach dringend nach Lösungen gesucht werden, wie die auf kurz oder lang zu erwartenden Personalengpässe kompensiert werden können. So sieht zum Beispiel die Fachbereichsleiterin für Kindertagesstätten in Hanau bei den Gruppen- und Hygienevorgaben des Landes Hessen schon bei einer Ausweitung der Betreuung auf 30% aller Kinder Kapazitätsgrenzen erreicht (siehe die schon erwähnte Sendung des Deutschlandfunks vom 16. Mai). Auch wenn die Spielräume vermutlich in vielen Kitas größer sind, ist es unstrittig, dass nicht genügend Kita-Personal in den Einrichtungen zur Verfügung steht, weil 20 Prozent der Beschäftigten zu den Risikogruppen gehören. Das wird sich vor Ort in den Kitas sehr unterschiedlich auswirken, weil der Anteil der Risikogruppen in den Kitas zwischen 0 und 50 Prozent liegt. Das heißt hier muss sehr genau geguckt werden, was in welcher Kita geht und was nicht, wie gg.falls kita-übergreifend Ausgleiche geschaffen werden können usw. Das wird aber nicht reichen. Insofern ist es dringend erforderlich zusätzliches Personal zu organisieren. (Auch hierauf haben wir schon hingewiesen, Blog vom 5. Mai: Das Personal ist der Schlüssel!) Hierbei ist Kreativität und Eile geboten, weil mögliches zusätzliches Personal nicht von heute auf morgen zur Verfügung steht. Der Landtagsfraktionschef der SPD in NRW Kutschaty fordert Ferienbetreuung für Kinder: „Wir könnten Lehramtsanwärter, Sozialarbeiter und angehende Erzieher dafür gewinnen, sich in den Ferien um Kinder im Schul- und Kita-Alter zu kümmern.“ (WAZ 15. Mai ). Mit den in pädagogischer Ausbildung befindlichen Personen benennt er eine wichtige Zielgruppe, die es zu gewinnen gälte. Aber wieso nur in den Ferien und warum nicht auch andere Studierende? Viele Studierende haben ihre Minijobs verloren und suchen dringend nach Kompensationsmöglichkeiten. Außerdem befinden sich viele Menschen in Kurzarbeit, von denen sicher auch einige einen Zugang zur Betreuung von Kindern haben (oder aufbauen könnten), z.B. aus dem Kultur-, Sport-, Tourismusbereich, Soloselbstständige etc. Personen aus diesen Zielgruppen könnten in Zusammenarbeit mit und unter der Aufsicht von Fachkräften eingesetzt werden und würden gleichzeitig ihre wirtschaftliche Situation verbessern. Eine Win-win-Situation!
Da, wo das Personal nicht mehr reicht (oder vielleicht auch schon vorher) könnte man Väter oder Mütter, die ihre Kinder weiterhin im Home Office betreuen, mit ihrem Kind alternierend tageweise in die Kinderbetreuung in der Kita miteinbeziehen. Sie würden möglicherweise 2 Tage in der Woche in der Kita präsent sein und würden für den Rest der Woche davon profitieren, dass andere Eltern dann in der aktiv sind und ihr Kind mitbetreuen. Eine wichtige Voraussetzung wäre, um Eltern hierfür zu gewinnen, wäre die Fortsetzung der Coronalohnhilfen für Eltern: „Ein Corona-Elterngeld ist überfällig!“ (Katrin Göring-Eckardt, Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, in der WAZ vom 16. Mai). Da Kitas sehr unterschiedlich sind (Alter der Kinder, Größe, Elternschaft, Betreuungsbedarf, Teamzusammensetzung, Kooperationspartner, Möglichkeiten des Stadtteils etc.) lassen sich nicht top down für alle Kitas die gleichen Betreuungskonzepte umsetzen. Alle beteiligten Akteure (Träger, Mitarbeiter*innen, Eltern) müssen für ihre Kita vor Ort den unter den schwierigen Bedingungen bestmöglichen Weg finden. Sie brauchen Unterstützung vom Träger und der Kommune bei der Umsetzung kita-übergreifender Lösungen, der Beschaffung von personellen Ressourcen. Für letzteres sollte das Land das Geld bereitstellen.
Best Practise: Die meisten Kinder sind nachwievor zuhause. Mit diesen gilt es weiter Kontakt zu halten: Der YouTube-Kanal der kleinen, hummeligen Abenteurer wächst weiter. Mittlerweile stehen 100 Videos auf der Homepage (siehe auch unseren Blog vom 1. Mai 2020). Auch in Hanau wird ein vergleichbarer Service (HANAUDAHEIM) angeboten, für den drei Mitarbeiter*innen übergreifend tätig sind.