Dreimal Nicht-Corona – Regionale Unterschiede und Verstärkung sozialer Ungleichheit, Personalmangel in Kitas sowie kostenlose Ernährung

In den letzten Wochen stand Corona im Mittelpunkt des Interesses und der Öffentlichkeit. Dabei ist auch deutlich geworden, wie wichtig die Kitas sind. Sie sind systemrelevant – keine Frage. Und dies mindestens im doppelten Sinne. Eltern sind auf die Kita angewiesen, um ihren beruflichen Verpflichtungen nachzukommen. Aber auch für die Kinder ist die Kita unverzichtbar.

Aus ihrer Perspektive ist die Kita sogar MEHR als systemrelevant: Nach der Schließung der Kitas ist deutlich geworden: „Auch Kinder, die sich gut entwickeln, die viel Förderung im Elternhaus bekommen und in gesicherten Verhältnissen aufwachsen brauchen die Tageseinrichtungen. Viele vermissen die Erzieherinnen, die täglichen Abläufe, die Anregungen, den Spaß und das Spiel, vermissen ihre beste Freundin und den dicksten Kumpel. Auch wenn es Kindern gut geht, geht es ihnen besser mit der Tageseinrichtung. Tageseinrichtungen müssen vor diesem Hintergrund nicht mehr ihre Daseinsberechtigung mit dem Fokus auf Familie und Beruf begründen. Sie sind aus sich heraus wichtig. Und deshalb lohnt es sich immer, für ihre Rahmenbedingungen und Qualität einzustehen.“ (Blog vom 29.4.2020) Hier einige Baustellen und einen konkreten Vorschlag:

Regionale Unterschiede und Verstärkung sozialer Benachteiligung
Wie kommt es, dass die Betreuungsquote der unter Dreijährigen in Duisburg nur bei 17,6 Prozent und im Kreis Coesfeld bei 39,9 Prozent liegt? (Westdeutsche Allgemeine Zeitung [WAZ] vom 28.8.2020 ) Gleichzeitig liegt die Quote der Kinder und Jugendlichen, die von Hartz 4 abhängig sind in Duisburg bei knapp 40 Prozent. Im Bundesdurchschnitt sind es nur 20 Prozent (Blog vom 18.7.2020: Grundsicherung für Kinder). Gerade diese Kinder brauchen die Kita. Im Durchschnitt lag die Betreuungsquote für U3-Kinder im März 2020 in NRW bei 29,2 Prozent.. „Spitzenreiter sind in der Regel die ostdeutschen Bundesländer mit Quoten über 50 Prozent und die Stadtstaaten Hamburg und Berlin.“ (Ebd.)

Personalmangel in den Kitas
„Das am Dienstag von der Bertelsmann-Stiftung vorgelegte `Ländermonitoring Frühkindliche Bildung´ bescheinigt NRW ein weiteres Mal nur kleine Verbesserungen. Zum Stichtag der Erhebung in 2019 besuchten demnach 78 Prozent der Kinder in NRW eine Einrichtung mit zu wenig Fachpersonal.“ (WAZ vom 26.8.2020) Auch hier gibt es wieder regionale Unterschiede: „So ist in Duisburg eine Fachkraft rechnerisch für drei Kinder mehr zuständig als in Euskirchen.“ (Ebd.) Im Rahmen der Studie wurde auch Gruppengespräche mit 128 Kita-Mitarbeiter*innen zur personellen Situation geführt. Bildungsforscherin schütze: „Viele Erzieherinnen schildern einen Spagat zwischen dem eigenen Anspruch und mangelnden Zeitressourcen.“ (Ebd.) Die Möglichkeiten der kontinuierlichen und individuellen Bildungsförderung, die für Kinder aus benachteiligten Familien besonders wichtig sind, sind dadurch stark eingeschränkt.

Kostenlose Kita- und Schulverpflegung – Finanzierung kein Problem
Der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) fordert „eine qualitativ hochwertige und kostenlose Essensversorgung für Kitas und Schulen vor, und zwar für alle.“ (Süddeutsche Zeitung [SZ] vom 22.+23.8.2020) Der Beirat fordert dies, weil eine gesunde Ernährung ganz wesentlich eine Erziehungsfrage ist (siehe hierzu unseren Blog vom 3.3.2020 Ernährung in der Kita). Die Kosten für eine „staatliche finanzierte Schulverpflegung würden… mit etwa 5,5 Milliarden Euro zu Buche schlagen“ und könnten finanziert werden durch die „Abschaffung der Mehrwertsteuervergünstigung auf tierische Erzeugnisse“ (ebd.). Die Anhebung der Mehrwertsteuer von sieben Prozent auf 19 Prozent würde dem Staat zusätzliche „Einnahmen von 4,3 bis 5 Milliarden Euro jährlich bringen“ (ebd.).