Schul- und Kita-Garantie in NRW trotz deutlich steigender Infektionszahlen

Wie passt das zusammen?
NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) in einer aktuellen Stunde im Landtag: „Wir garantieren, dass die Schulen und Kitas in diesem Land wegen der Pandemie nicht mehr geschlossen werden. Das ist die zentrale Botschaft an die Familien.“ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung [WAZ] vom 19.9.2020, Seite 2) Die Landesregierung gibt dieses Versprechen in einer Situation, in der die Pandemie sich wieder ausbreitet. Die täglichen Infektionszahlen sind in Frankreich auf über 13t gestiegen (ebd., Wirtschaft). In Deutschland lagen sie am Freitag (18.9.) zwar erst bei 2.297. „Der Virologe Christian Drosten sieht aber in der kontinuierlichen Zunahme in den letzten zwei Wochen `nicht eine beliebige Schwankung. Sondern wir sind jetzt wieder im Anstieg“ (ebd. vom 18.9.2020, Seite 1), dessen Ende nicht absehbar ist.

Konkret: In München sprach das Kultusministerium „am Montag von 135 infizierten Kindern und Jugendlichen und 43 positiven Lehrern. 2.490 Schüler und 400 Lehrer sind in Quarantäne. In Schulen in Hamburg und Gießen ist es zu massiven Ausbrüchen gekommen: Insgesamt wurden 47 Schulkinder positiv getestet.“ (Ebd. vom 16.9.2020, Tagesthema). In Bochum gibt es aktuell „Corona-Fälle an elf Schulen“ (ebd. vom 19.9.2020, Lokales). Mülheim ist mit „34,1 Infektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen“ wieder „nahe am Schwellenwert“ (ebd. vom 17.9.2020, Rhein-Ruhr).

Notwendigkeit präventiver Maßnahmen: In einer Stellungnahme der Gesellschaft für Virologie heißt es: „Fehlende Präventions- und Kontrollmaßnahmen könnten in kurzer Zeit zu Ausbrüchen führen, die dann erneute Schulschließungen erzwingen… Wir warnen vor der Vorstellung, dass Kinder keine Rolle in der Pandemie und der Übertragung spielen.“ (Ebd. vom 16.9.2020, Tagesthema). Die Expert*innen schlagen mit Blick auf die Schulen mehrere Maßnahmen vor, um Infektionsrisiken zu senken:
– Reduzierung der Klassengrößen bei Neuinfektionen,
– tragen von Alltagsmasken auch im Unterricht,
– regelmäßigen Luftaustausch und
– Verlängerung der Weihnachtsferien. (Ebd.)
Weitere Maßnahmen sind sinnvoll: möglichst oft Unterricht Outdoor, Nutzung von größeren Räumen (z.B. Turnhalle, Versammlungsräume, wenn immer möglich (Blog 18.8.2020), konkrete Hygienemaßnahmen etc.

Kitas
Zu Infektionen in Kitas gab es in der letzten Woche keine Berichte in den überregionalen Medien. Nehmen wir das mal als ein positives Signal. Aber auch das kann sich schnell wieder ändern. Deswegen gilt es – ähnlich wie in den Schulen – weiter Maßnahmen umzusetzen, die einerseits für die Kinder einseh- und umsetzbar sind – deswegen gibt es ja für die Kleinen richtigerweise keine Abstandsregeln – und andererseits die Übertragungsrisiken möglichst gering halten:
– keine Durchmischung der Gruppen (Verzicht auf offene Arbeit),
– keine Gruppenwechsel der Fachkräfte ,
– möglichst viele Aktivitäten Outdoor,
– Umsetzung der Hygieneauflagen durch Kinder und Erwachsene (plus Unterstützung durch Alltagshelfer*innen, hierzu Blog 25.8.2020 und Blog 14.09.2020),
– Aufteilung des Außengeländes,
– Abstandsregeln der Erwachsenen,
– Übergabe der Kinder im Eingangsbereich,
– Nutzung größerer Räume (z.B. Bewegungsräume),
– Elternversammlungen und Elternkontakte gg.falls digital.
Auch wenn die eine oder andere Maßnahme lästig ist, den pädagogischen Alltag einschränkt, ist es besser, an diesen bis auf weiteres festzuhalten als unnötige und unkontrollierbare Risiken einzugehen.

Die nächsten Wochen…
Die erfolgreiche Umsetzung der Schul- und Kita-Garantie – Familienminister Stamp spricht von einer Betreuungs- und Bildungsgarantie (Blog 14.9.2020) – ist nur realistisch, wenn die von den Expert*innen erwartete Zunahme von Infektionen in den nächsten Wochen eingrenzbar und händelbar ist. Ob dies gelingt wird maßgeblich davon abhängen, ob
– Kitas und Schulen die oben genannten präventiven Maßnahmen konsequent umsetzen, um das Risiko möglicher Infektionen niedrig zu halten und deren Nachverfolgung zu vereinfachen.
– die lokalen Gesundheitsämter personell in der Lage sind, die Kontaktverfolgung infizierter Personen zielgenau und zeitnah umzusetzen, um das Risiko einer nicht mehr kontrollierbaren Ausbreitung von Infektionen gering zu halten.
– die Landesregierung alle ihre Möglichkeiten nutzt, Kitas, Schulen und ganz besonders auch den Offenen Ganztag (Blog 14.9.2020. „Klagen über Chaos im Offenen Ganztag“) personell so auszustatten, dass die präventiven Maßnahmen auch umgesetzt werden können. So ist in keiner Weise nachvollziehbar, dass nach Aussage von NRW-Schulstaatssekretär Mathias Richter, Alltagshelfer für die OGS nicht vorgesehen seien (WAZ 9.9.2020, Seite1).
Darüber hinaus sind die kontinuierliche Kommunikation und Kooperation aller beteiligten Akteure (Politik und Behörden auf Landesebene sowie in den Kommunen, Träger- und Elternverbände sowie Interessenvertretungen der Beschäftigten) und die gemeinsame Suche nach den bestmöglichen Lösungen ein entscheidender Erfolgsfaktor. Das ist in den letzten Monaten im Bereich der Kitas auf Landesebene in NRW über weite Strecken ganz gut gelungen.

Und…
Die „Garantie“ bedeutet, dass NICHT PAUSCHAL alle Kitas und Schulen wieder geschlossen werden. Einzelne Kitas, Schulen, Gruppen, Klassen werden aber, wenn Infektionsfälle vorliegen, weiterhin ihre Türen schließen und/oder Kinder bzw. Schüler*innen in Quarantäne geschickt werden müssen. Zu diesen gilt es dann von den Fach- und Lehrkräften Kontakt zu halten. Hier müssen viele Kitas und Schulen sich deutlich besser aufstellen (Blog 9.6.2020). Wie man das in Kitas machen kann finden, kann man sich beispielsweise bei der Kita im Wald (Castrop-Rauxel) oder den städtischen Kitas in Hinte ansehen.