Weiter steigende Infektionszahlen Aber: Kitas sind keine Infektionsherde

so titelt die Westdeutsche Allgemeine Zeitung [WAZ] vom 17.10.2020 (Seite 1). Sie zitiert damit Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, die sich auf eine größere Studie bezieht, die sie und Gesundheitsminister Jens Spahn im Frühjahr beim Deutschen Jugendinstitut (DJI) und dem Robert-Koch-Institut (RKI) in Auftrag gegeben hatten. An dieser Studie sind ca. 12.000 Kitas und Tagespflegestellen „mit wöchentlichen Berichten“ beteiligt. Giffey und Spahn sind “davon überzeugt, dass kleine Kinder `nicht die Infektionstreiber´ und `Kitas keine Infektionsherde sind´“(ebd., Tagesthema).

Diese (vorläufigen) Schlussfolgerungen sind mit Blick auf die steigenden Infektionszahlen – 7.830 neue Fälle meldet das RKI für den 17.10.2020 – und die zu deren Eingrenzung nötigen Maßnahmen von hoher Bedeutung. Geht es doch mit Blick auf die Kinder und ihre Familien ganz entscheidend darum, eine erneute flächendeckende Schließung von Kitas (und Schulen) zu vermeiden. Schauen wir uns die Ergebnisse der Studie (Quartalsbericht der Corona-Kita-Studie) etwas genauer an:

Wesentliche Ergebnisse:
– Insgesamt wurden dem RKI lediglich 79 Coronainfektionen übermittelt; 27 Prozent (= ca. 34 Fälle) betrafen Kinder, die fünf Jahre und jünger waren, neun Prozent Kinder zwischen 6 und 14 Jahren (= ca. 11 Fälle).
– Fazit: „Das Ansteckungsrisiko steigt mit dem Alter, ab dem 13. Lebensjahr nähert es dich von Erwachsenen… Kinder im Alter von null bis sechs Jahren Machen sechs Prozent der Bevölkerung, aber nur drei Prozent der Infizierten aus.“ (Ebd.)
– 90 Prozent der pädagogischen Fachkräfte konnten im pädagogischen Betrieb verbleiben. Insofern sind die Teams in den Kitas, wenn auch mit Einschränkungen, in den letzten Monaten arbeitsfähig geblieben.

Weitere Forschungsergebnisse:
Diese für die Kitas in diesen schwierigen Zeiten positiven Aspekte lassen sich durch drei weitere ergänzen:
– Es gab zwar „in jeder vierten Kita in den letzten Wochen einen Verdachtsfall“, von denen „sich nur sehr wenige als tatsächliche Corona-Fälle erwiesen (ebd. – siehe hierzu unseren Blog vom 18.7.2020 zu den Symptomen von Kindern);
– Deswegen mussten „(w)eniger als ein Prozent der Kitas und Kindertagespflegestellen coronabedingt ganz oder teilweise schließen.“ (Ebd.)
– Je jünger Menschen sind, desto geringer ist das Risiko an Covid-19 zu sterben. „(I)n der Altersgruppe bis 44 Jahre (sterben) `nur´ 0,06 Prozent der Infizierten.“ (Süddeutsche Zeitung [SZ] 9.10.2020, Wissen) Bei Kindern liegt der Prozentsatz noch geringer. „Im Alter zwischen 55 und 64 sind es 0,7 Prozent, zwischen 65 und 74 sogar 2,2 Prozent.“ (Ebd.)

Verhältnismäßigkeit
Die Politik spricht sich aktuell dafür aus, im Interesse von Kindern, Schülerinnen und Schülern sowie deren Familien eine erneute flächendeckende Schließung von Kitas und Schulen zu vermeiden. Die Erfahrungen der letzten Monate und die bisher vorliegenden Forschungsergebnisse interpretiert die Politik so, dass dies eine realistisches und angemessenes Szenario sei. Die Infektionsrisiken für die Gesellschaft und vor allem ältere Menschen, die von den Kitas und Schulen ausgehen, waren in den letzten Wochen und Monaten niedrig im Vergleich zu denen von Ferienreisen und privaten wie öffentlichen Feiern. Für die Öffnung von Kitas und Schulen sprechen auch die Vielzahl von Nachteilen, Einschränkungen und Risiken für Kinder, die ein erneuter Lockdown diesen und ihren Familien zumuten würde. Kinder aus sozial schwachen Familien wären hiervon besonders betroffen. Das gilt es zu vermeiden. Es wird sich in den nächsten Wochen zeigen, ob die Öffnung von Kitas und Schulen realistisch ist.

Die nächsten zwei Wochen
Bundeskanzlerin Merkel hat sich am Wochenende über das Fernsehen sehr eindringlich an die Bürgerinnen und Bürger gewandt: „Halten Sie sich an die Regeln.“ Sie fordert dazu auf, Feiern und Reisen möglichst weitgehend abzusagen. „Es kommt ohne Ausnahme auf jeden Einzelnen und damit auf uns alle an.“ (Zitiert nach WAZ 19.10.2020) Dahinter steckt die Sorge, dass wir in Deutschland aus dem aktuell exponentiellen Wachstum der Infektionszahlen nicht herauskommen. In circa zwei Wochen werden wir wissen, ob die aktuellen Maßnahmen und deren Umsetzung ausreichen, ob es uns – so wie im Frühjahr – gelingt, die Pandemie wieder kontrollier- und steuerbar zu machen. Dann sehen wir weiter. Ein Blick zu unseren europäischen Nachbarn verdeutlicht, was wir hoffentlich verhindern können oder was möglicherweise auch auf uns noch zukommen kann.