NRW: Schulstart am 12.8. und Wiedereinstieg in den uneingeschränkten Regelbetrieb in den Kitas am 17.8.2020
Die Konsequenz daraus kann nicht sein, Kitas und Schulen wieder zu schließen – auch wenn das in den nächsten Monaten im Einzelfall aufgrund von Infektionsfällen vermutlich nötig sein wird. Beide Institutionen sind systemrelevant, nicht nur für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Integration der nachwachsenden Generation in die Gesellschaft, ins Arbeitsleben etc., sondern auch aus Sicht der Kinder und Jugendlichen, ihr Recht auf Wohlbefinden, Bildung, Zusammenleben mit Gleichaltrigen etc. (siehe Blog vom 29.4.2020). Wie wichtig Kita und Schule – gerade für Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien, aus Migrationsfamilien, von Alleinerziehenden sind – haben die letzten Monate verdeutlicht (siehe Blog vom 26.7.2020: Corona und Armut). Welche Schlussfolgerungen sind daraus für die nächsten Wochen und Monate zu ziehen?
Zentraler Rahmen, aber Zunahme dezentraler Steuerung
Zu Beginn der Pandemie (März/April) war es richtig, mit zentralistischen Maßnahmen einen landes- bzw. bundeseinheitlichen verbindlichen Umgang mit der Pandemie zu schaffen (Stichwort Lockdown mit Kita- und Schulschließungen, Homeoffice, Veranstaltungs- und Versammluingsverbote, Maskenpflichten, Abstandsgebote etc.). So gelang es, die Infektionsraten runter zu fahren, eine Überlastung der Krankenhäuser und damit eine viel höhere Anzahl von Todesfällen zu vermeiden. Nun ist die Situation eine andere. Auch wenn die Infektionszahlen in den letzten zwei Wochen wieder gestiegen sind, wird es in den nächsten Wochen und Monaten gleichermaßen darum gehen, einerseits so viel Normalität wie möglich zu erhalten und zuzulassen und andererseits die Infektionen so niedrig zu halten wie möglich. Das wird dazu führen, dass es im Einzelfall große Unterschiede vor Ort geben wird. Beispielsweise wenn Infektionszahlen in einer Stadt sprunghaft steigen, kann ein lokal begrenzter Lockdown verfügt, können einzelne Kitas oder Schulen geschlosssen werden (wie vor einigen Wochen im Kreis Gütersloh im Zusammenhang mit der Vielzahl von Infektionen bei Mitarbeitern in der Fleischindustrie; oder in verschiedenen Städten des Ruhrbgebiets, als sich einzelne Kinder bzw. Mitarbeiter*innen in Kitas bzw. Schulen infiziert hatten). Um dies zeitnah und zielgenau händelbar zu machen, hat das Land einen Teil der Steuerung der entsprechenden Maßnahmen an die kommunalen Behörden vor Ort delegiert. Vor allem die Verantwortung der Gesundheitsämter und deren Entscheidungskompetenzen haben in diesem Zusammenhang (und nicht nur bei der Verfolgung von Infektionsketten) deutlich zugenommen.
Das Land setzt weiterhin den Rahmen,
in diesem Falle die Orientierung auf Normalbetrieb in Kitas und Schulen. Das bedeutet für die Schulen vollständiger Präsenzuntericht für alle Kinder und für die Kitas: Betreuung und Bildung für alle Kinder wieder im vollen Umfang (also bis 45h/Woche) nach den Vorgaben des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz NRW – Alle Details zu den vom Familienministerium NRW (MKFFI) in Anlehnung an das KiBiz vorgesehen Rahmen für die nächsten Monate den Kitas können Sie in dessen „Empfehlungen für die Kindertagesbetreuung im Regelbetrieb in Zeiten der Pandemie“ ab dem 17.8.2020 vom 28.7.2020 nachlesen.). Dieser Rahmen wird ergänzt und konkretsiiert durch eine ganze Reihe von Maßnahmen, von denen im Folgenden die aufgeführt werden, die für die Absicherung und Gewährleistung des Normalbetriebs und mit Blick auf die Schulen auch für den im Einzelfall wieder erforderlichen Distanzunterricht von hervorgehobener Bedeutung sind::
– die regelmäßige Testung von Fachkräften in Kitas und Lehrkräften (siehe Blog vom 18.07.2020).
– die noch ausstehende Entscheidung über die gerade in der bundesweiten Diskussion befindliche Maskenpflicht in Schulen: Bundesbildungsministerin „Karliczek drängt auf Masken in den Schulen (WAZ 3.8.2020, Seite1).
– einen Plan B für die Schulen mit möglichen „Mischformen zwischen Präsenz- und Distanzunterricht“ (WAZ 3.8.2020, Seite 2) bei erhöhten Infektionen in einzelnen Schulen. Ein solcher Plan B liegt bisher noch nicht vor.
– die Digitalisierung der Schulen zur Ermöglichung von Distanzunterricht für alle Kinder, falls dieser (wieder) erforderlich wird. Das Land hat insgesamt 350 Millionen bereitgestellt für die Lehrkräfte und Kinder aus armen Familien. Es wird aber voraussichtlich bis zum Ende des Jahres dauern, bis die Geräte zur Verfügung stehen. Unklar ist noch, wie die Lehrkräfte und Schüler*innen die entsprechenden Kompetenzen erwerben, um die Geräte auch angemessen einsetzen und nutzen zu können.
– schulische Unterstützungsprogramme für Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien: Das NRW-Ferienprogramm kam aber viel zu spät und wird bisher nur vereinzelt in Anspruch genommen (siehe Blog 18.7.2020). Es kann aber auch noch in Herbstferien umgesetzt werden.
– die personelle Ausstattung in den Schulen: Hierfür ist das Land zuständig – alle Lehrer*innen sind Landesbedienstete – und besonders gefordert, weil ca. 15 Prozent der Lehrer*innen in NRW krankheitsbedingt oder wegen eines Corona-Attests ausfallen. Hier darf man zu Recht sehr skeptisch sein, ob die bisher bescheidenen Bemühungen des Landes wirklich eine deutliche Entlastung bringen (siehe Blog vom 26.7.2020).
– die Personalschlüssel in den Kitas, die sich weiterhin am Kinderbildungsgesetz NRW (KiBiz) orientieren. Die Einstellung des Personals erfolgt bei den Trägern vor Ort. Da es auch in den Kitas personelle Engpässe geben wird – einmal weil die Personalschlüssel für eine angemessene Bildung und Betreuung von Kindern vom Grundsatz her unzureichend sind (siehe Blogs vom 25.2.2018 und 3.6.2018) und zum anderen weil es auch hier Fachkräfte mit Corona-Attests geben wird – hat das Land ein Programm Alltagshelferinnen aufgelegt (siehe Blog vom 18.07.2020). Die Regie für die Umsetzung des Programms liegt bei den örtlichen Jugendämtern.
– Auch der offene Ganztag an den Grundschulen (OGS) geht wieder in den Normalbetrieb: Von Seiten des Landes scheinen hier keine unterstützenden Maßnahmen vorgesehen.
Drei Stellgrößen für einen gelingenden Regelbetrieb
Unter diesen Rahmenbedingungen werden die einzelne Kita und jede einzelne Schule vor Ort tätig. Die Qualität, mit der sie ihren Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag umsetzen können, hängt dabei ganz wesentlich von drei Stellgrößen ab:
1. Personelle Ausstattung
Ist unser Team, unser Kollegium vollständig? Wie gut sind wir insgesamt personell ausgestattet? Gelingt es uns, zusätzliches Personal zu mobilisieren? Können wir uns besonders um Kinder aus benachteiligten Familien kümmern? Wie verbindlich, effektiv und effizient sind die Arbeitsteilung und die Kommunikation im Team bzw. Kollegium? Welche Aufgaben übernehmen die Fach- bzw. Lehrkräfte mit Coronaattest? Wie binden wir die Alltagshelfer*innen (Kita) in die Arbeit, ins Team ein? Usw.
2. Senkung der Infektionsrisiken
Setzen wir unsere Hygienemaßnahmen konsequent um? Was tun wir darüber hinaus, um die Infektionsrisiken zu reduzieren? – Beispielsweise: Gestaffelte Schulanfangszeiten, getrennte Pausen, nicht alle Kinder gleichzeitig ins Außengelände, Angebote auf dem Außengelände, dem Schulhof, Exkursionen in den Stadtteil, in den den Wald usw.
3. Räumliche, sachliche Ausstattung und Umfeld
Wie großzügig sind unsere Räumlichkeiten? Haben wir ggf. Zugriff auf externe Räumlichkeiten? Können wir regelmäßig Kleingruppen bilden, die sich in verschiedenen Räumen aufhalten? Welche Möglichkeiten bietet unser Umfeld? Sind wir – für den Fall einer (teilweisen) Schließung unserer Kita oder Schule digital gut ausgestattet und auf Distanzunterricht (Schule) oder digitale Angebote für Kinder, Eltern zuhause (Kita) vorbereitet? Haben wir uns diesbezüglich mit den Eltern abgestimmt? Usw.
Dezentrale Steuerung: Das Beste vor Ort draus machen!
Die einzelnen Kitas und Schulen vor Ort kann man nicht über einen `Leisten kämmen´. Es gibt große Unterschiede hinsichtlich der Größe (Anzahl der Kinder bzw. Jugendlichen), der Elternschaft (Mittelschicht, Migrationsfamilien, benachteiligte Familien etc.) und mit Blick auf unsere Stellgrößen natürlich auch bei den personellen Ressourcen sowie der räumlichen und sachlichen Ausstattung. In dem einen Team oder Kollegium gehört niemand zur sogenannten Risikogruppe und woanders liegt der Anteil deutlich über dem landesweiten Durchschnitt. Ähnlich ist es bei den Räumlichkeiten. In manchen Kitas bzw. Schulen ist es eher eng, andere sind großzügiger aufgestellt. Usw. „Das Beste draus machen!“ – bedeutet nicht, dass ´alles gut´ wird: Es geht darum, aus den REALEN BEDINGUNGEN vor Ort DAS BESTMÖGLICHE zu machen. Das erfordert eine Leitung (egal ob Kita oder Schule), die DAS zu IHRER SACHE macht, in enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit ihren Team sowie dem Kontakt und der Einbeziehung der Elternschaft angeht und dabei von ihrem Träger passgenau begleitet und unterstützt wird. Letzerer ist bei den staatlichen Schulen die jeweilige Stadt. Die Entwicklung und Umsetzung eines maßgeschneiderten Konzeptes für die einzelne Kita oder Schule stellt hohe Anforderungen an die alle Beteiligten, aber es macht bei aller Anstrengung auch Spaß, stärkt das Selbstbewusstsein jeder*s Einzelnen und das Gemeinschaftsgefühl des Teams oder Kollegien. Und es kommt den Kindern und Jugendlichen zugute. Eine ganze entscheidende Rolle haben dabei die Kommunen, die lokalen Behörden. Sie sind vor allem Schlüssel zur Personalgewinnung (Stellgröße 1) und auch für die Erschließung zusätzlicher Räumlichkeiten (Stellgröße 3.). Auf deren zentrale Rolle bei der Personalgewinnung haben wir schon in verschiedenen Blogs hingewiesen (letztmalig in unserem Blog vom 18.7.2020). Auch darauf, dass es gerade bei der Personalgewinnung ein enormes Potenzial unter den Studierenden gibt. In der WAZ vom 1.8.2020 (Wirtschaft) konnte man noch mal nachlesen, wie viele ihre Jobs beispielweise in der Gastronomie (aber nicht nur dort) verloren haben und dringend auf `Geld verdienen´ angewiesen sind (siehe auch die Blogs vom 18.5.2020 und 8.6.2020).