Revier wird zur Corona-Hochburg (Westdeutsche Allgemeine Zeitung [WAZ] 25.+26.7.2020, Seite 1)

„Das NRW-Gesundheitsministerium sorgt sich um die Entwicklung der Corona-Neuinfektionen im Ruhrgebiet. Zwar gebe es derzeit keinen Corona-Hotspot in NRW, so ein Sprecher des Ministeriums zur WAZ. `Gleichzeitig stellen wir bei der Lokalisierung der Neuinfektionen aber eine Verschiebung des Infektionsgeschehens auf das Ruhrgebiet fest.´ Zu den Städten mit den höchsten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in der vergangenen Woche gehören demnach Mülheim, Bochum und Duisburg, Hagen, Oberhausen und Essen… Zur Eindämmung der Pandemie haben Gesundheitsämter im Ruhrgebiet mehr als 31.000 Menschen in Quarantäne geschickt.“ (Ebd.)

Nur zur Erinnerung: Anfang Juli – nach der Wiedereröffnung der Kitas –  gab es nur sehr „wenig Infizierte im Ruhrgebiet“ (Blog vom 5.7.2020)

Corona lauert
Auch in Deutschlang insgesamt ist die Zahl der Neuinfektionen sprunghaft angestiegen. „Mehr als 60 Prozent der neuen Fälle seien jedoch auf Anstiege in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zurückzuführen“ (ebd., Seite Tagesthema). Auch wenn Deutschland bisher – vor allem im Vergleich zu anderen Ländern – halbwegs glimpflich durch die Pandemie gekommen ist, gibt es keinen Grund, sich in Sicherheit zu wiegen. Ein zunehmend fahrlässigeres Verhalten in den Innenstädten und auch in Urlaubssituationen könnte zu einer erneuten Infektionswelle führen.

Tests für Urlaubsrückkehrer
Deswegen ist die Entscheidung der Landesregierung zu begrüßen, dass alle „Reisenden… sich nach ihrer Rückkehr nach Deutschland kostenlos auf das Coronavirus testen können lassen“ (ebd., Seite 1). Ein solcher Test ist freiwillig. Der Virologe Alexander Kekulé geht einen Schritt weiter und „spricht sich für verpflichtende Corona-Tests für Urlaubsrückkehrer aus Risikogebieten aus“ (ebd., Seite Tagesthemen).zu Da ein Impfstoff noch in weiter Ferne liegt, auch wenn weltweit daran gearbeitet wird, und die Infektionszahlen vor allem in Ländern außerhalb von Europa (USA, Brasilien, Südafrika, Indien usw.) weiter rapide ansteigen, gibt es keinen Grund zur Entwarnung.

Blick in die Kitas und heute vor allem in die Schulen
Die regelmäßigen Tests in NRW für die Lehrer*innen und Erzieher*innen nach dem Ende der Schulferien (siehe Blog vom 18.07.2020) sollen für die beiden Berufsgruppen wochenweise im Wechsel durchgeführt werden (WAZ vom 20.7.2020, Seite 1). In NRW ist über die Hälfte der Schulferien schon um. Am 12.8., also in gut zwei Wochen, geht es wieder los. Der Bochumer Stadtdirektor Kopietz dazu: „Händeringend warte die Stadt auf Details der Landesregierung für die Schulöffnung nach den Sommerferien.“ (WAZ vom 25.+26.7.2020, Lokalseite 1) Ebenfalls nicht ganz zuversichtlich stimmen die Aktivtäten des Bildungsministeriums, um zusätzliche Lehrkräfte zu rekrutieren. 15 Prozent der 200.000 Lehrkräfte in NRW fallen aus: durchschnittlicher Krankenstand 7 Prozent, Corona-Attest 8 Prozent. Das macht in der Summe 30.000 fehlende Lehrkräfte. „Auch wenn etliche dieser Lehrer mit anderen schulischen Aufgaben und der Unterrichtsvorbereitung von zuhause aus betraut werden, will das Land mit einem Bündel von Maßnahmen mehr als 1600 weitere Kräfte gewinnen.“ (Ebd., Seite 2) Man muss kein Rechenkünstler sein, um das Missverhältnis von Ausfall und Beschaffung zu erkennen.

Dazu kommt, dass es nach wie vor keinen Plan B aus dem Bildungsministerium gibt für den Fall, dass der Regelbetrieb aufgrund einer neuen Infektionswelle wieder ausgesetzt oder eingeschränkt werden muss. Dass dieses Risiko besteht sieht man beispielsweise in Israel: „Als Israel die Schulen wieder öffnete, entwickelten sich dort sofort Hotspots, mehr als 40 Prozent der neuen Corona-Fälle waren Kinder, die sich im Unterricht angesteckt hatten.“ (Süddeutsche Zeitung [SZ] vom 25.+26.7.2020, Seite 4) Um diese Risiken einzuschränken, bräuchten die Schulen mehr Platz, damit die Kinder während des Unterrichts genug Abstand voneinander halten  bzw. in kleinere Gruppen aufgeteilt werden können. „Wenn es dem Staat, den Ländern und den Kommunen ernst ist mit dem Präsenzunterricht, müssten sie alle zusätzlichen Räume in Schulnähe zur Verfügung stellen, leerstehende Büros, Lager- oder Turnhallen. Und wenn das nicht geht, kann man statt des Raums auch vielleicht die Zeit dehnen, indem man Nachmittags-, Samstags- oder Ferienunterricht anbietet.“ (Ebd.) Um hierfür die Voraussetzungen zu schaffen, müssten die Kommunen nicht erst auf Vorgaben des Landes warten.

Corona und Armut
Die Coronakrise legt noch mal ein paar grundsätzliche Themen auf. In einer Studie der Bertelsmann-Stiftung wird deutlich, dass „viele arme Kinder `durchs Raster fallen´… So hätten 24 Prozent der Kinder in Haushalten, die Grundsicherung bezögen, keinen Zugang zu einem internetfähigen Computer. Die meisten von Armut betroffenen Kinder hätten kaum Aussicht auf Besserung ihrer Situation. Derzeit seien 21,3 Prozent oder 2,8 Millionen der Kinder und Jugendlichen in Deutschland von Armut betroffen, besonders in Haushalten von Alleinerziehenden sowie mit drei Kindern und mehr.“ (WAZ vom 23.7.2020, Tagesthema) Und im Ruhrgebiet: „Kinderarmut im Revier dramatisch“ (Ebd., Seite 1): Gelsenkirchen ist Spitzenreiten mit 41,5 Prozent. In keiner Ruhrgebietsstadt sind weniger als 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Amut betroffen. Ganz unabhängig von Corona, angemessener dgitaler Ausstattung und lernunterstützenden Maßnahmen (z.B. Ferienprgramm, siehe Blogs vom 18.7.2020 und 29.06.2020) bedarf es einer Grundsicherung für Kinder und Jugendliche, die der DGB fordert (siehe Blog vom 18.7.2020).

Dies und das
– Die WAZ vom 23.7.2020 erinnert und formuliert als Schlagzeile auf Seite 1: „Die vergessenen Corona-Helden – Zu Beginn der Pandemie bekamen vor allem die sozialen Berufe viel Beifall. Doch inzwischen scheint vieles vergessen“. Dabei ging es auch um eine materielle Wertschätzung: bessere Bezahlung! Übrigens eine Voraussetzung um dem sich zuspitzenden Mangel an Pflegekräften etwas entgegen zu setzen.
– Sinus-Jugendstudie 2020: „Die Jugendstudie erforscht alle vier Jahre die Lebenswelten von 14- bis 17-Jährigen in Deutschland. Die jungen Leute äußerten sich bodenständiger, gemäßigter und probembewusster.“ (WAZ vom 24.7.2020) Das stimmt doch zuversichtlich.
– Manchmal hat Trump auch recht: „Ob Sie die Masken mögen oder nicht, sie haben eine Wirkung.“ (Zitiert nach WAZ vom 23.7.2020)